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Politik: Neue Runde im Streit um Atomenergie

Merkel denkt laut über Kernkraft nach / Wiederaufnahme der russischen Öllieferungen unklar

Berlin/Moskau - Der Lieferstopp für russisches Erdöl hat in Deutschland die Debatte über die Atomenergie neu entfacht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in der ARD, es sei „nicht klug“, sich einseitig von einem Lieferanten abhängig zu machen. „Man muss sich natürlich überlegen, was das für Folgen hat, wenn wir Kernkraftwerke abschalten“, sagte die Kanzlerin weiter. Kritik an den Äußerungen gab es von SPD und Grünen. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte dem Tagesspiegel: „Die Debatte zeigt, dass jeder, der Interesse daran hat, mit der Atomenergie möglichst viel Geld zu verdienen, jede Gelegenheit nutzt, mit der Angst der Bevölkerung zu spielen.“ Der Streit mit Russland über die Öllieferungen sei hingegen nur ein Zeichen dafür, „dass wir unsere Importabhängigkeit von Öl und Gas vermindern müssen, und die Antwort darauf heißt Energieeffizienz und erneuerbare Energien“.

Unterdessen blieb auch am Dienstag unklar, wann die Öllieferungen aus Russland wieder aufgenommen werden. Wegen des Energiestreits zwischen Weißrussland und Russland war am Montag die „Druschba“-(„Freundschafts“)- Pipeline geschlossen worden, durch die etwa ein Fünftel des deutschen Ölbedarfs fließt. Russlands Präsident Wladimir Putin ließ nach Angaben der Agentur Interfax eine Drosselung der russischen Ölförderung prüfen. Das deutet darauf hin, dass sich Russlands Präsident auf eine längere Dauer des Energiestreits einstellt. Im Kreml ließ sich Putin von seinen Ministern die bisherigen Verluste vorrechnen. Demnach verlor Russland durch die Krise bereits insgesamt 3,3 Milliarden Dollar.

Russland wirft Weißrussland vor, illegal Öl aus der „Freundschafts“-Pipeline abgezweigt zu haben; Minsk bestreitet dies. Vermittlungsgespräche zwischen den beiden Ländern scheiterten am Dienstag zunächst. Minsk verlangt von Russland Transitgebühren von 45 Dollar für jede Tonne russischen Öls, die nach Westen geht. Der Moskauer Vizeminister für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, Andrej Scharonow, sagte der Nachrichtenagentur Itar-Tass, dass Russland auf „bedingungslose Annullierung der Transitgebühren“ bestehe.

In Berlin kritisierten die gegenwärtige EU-Ratspräsidentin Merkel und Kommissionschef José Manuel Barroso, dass die Europäische Union vor dem Lieferstopp weder von Russland noch von Weißrussland konsultiert worden sei. „Das zerstört immer wieder Vertrauen, und darauf kann sich keine wirklich vertrauensvolle Zusammenarbeit ungestört aufbauen“, sagte Merkel. Sie kündigte für den 21. Januar ein Treffen mit Putin in Moskau an. Die EU-Kommission berief für diesen Donnerstag in Brüssel ein Krisentreffen mit hohen Beamten und Industrievertretern aus allen EU-Staaten ein.

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