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Neue Studie: Anzahl kultureller Konflikte weltweit sprunghaft gestiegen

Fast die Hälfte der Konflikte weltweit dreht sich heute um kulturelle Themen oder hat kulturelle Ursachen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Berlin - „Kultur ist längst kein weicher Faktor mehr“, sagte Malte Boecker von der Bertelsmann-Stiftung. Kulturelle Faktoren wie Religion, Sprache und die Bewertung von Geschichte müssten als Auslöser von Problemen ernster genommen werden.

Seit dem Ende des Kalten Krieges und der Sowjetunion sei die Anzahl der Kulturkonflikte „sprunghaft“ gestiegen. Die Auseinandersetzungen, die sich um die kulturelle Identität einer Bevölkerungsgruppe drehen, sind außerdem „besonders gewaltsam“. Dennoch widerspricht die Untersuchung dem von Samuel Huntington und anderen Wissenschaftlern prognostizierten „Zusammenprall der Kulturen“ wie der des Westens mit dem Islam. Denn vier von fünf Kulturkonflikten sind innerstaatliche Phänomene.

Die Studie wurde von Politikwissenschaftlern der Universität Heidelberg durchgeführt. Sie basiert auf einer Datenbank, in der Material über rund 800 innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte seit 1945 gesammelt werden. In vielen Fällen werden Konflikte, je länger sie andauern, kulturell instrumentalisiert, haben die Forscher herausgefunden. So zum Beispiel im indonesischen Aceh. Am Anfang stand der Streit um Ressourcen und ethnische Auseinandersetzungen. In den Jahrzehnten seit dem Ausbruch der Gewalt seien ökonomische und politische Missstände von den Konfliktparteien aber immer mehr kulturell überhöht worden.

Andere Konflikte würden den Eindruck erwecken, sie hätten kulturelle Ursachen, bei genauer Sicht liegen aber andere Probleme zugrunde. So sei der Krieg der USA gegen den Irak nicht kulturell bedingt, da es die Bush-Regierung vermieden habe, religiöse oder andere kulturelle Unterschiede dafür verantwortlich zu machen. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen 2006 hingegen sei von Anfang an ein klassischer Kulturkonflikt gewesen.

Je stärker ein Land religiös fragmentiert ist, umso geringer ist übrigens die Wahrscheinlichkeit, dass es zu kulturellen Konflikten kommt. Gefährlich ist es in den Staaten, wo einige wenige religiöse Gruppierungen um die Vorherrschaft kämpfen. Besonders gefährlich ist es, wenn es in diesen Ländern auch noch einen hohen Anteil von männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren gibt – wie etwa im Nahen Osten, in Indien oder Pakistan. Die Überalterung der westlichen Gesellschaften bringt also auch Vorteile mit sich. Der Zustrom von Einwanderern, egal aus welchem Kulturkreis, erhöht das Risiko für kulturelle Konflikte nicht. Zumindest statistisch gesehen. „In Deutschland haben wir Bildungsprobleme, aber keine kulturellen Konflikte“, sagte Projektleiter Aurel Croissant von der Universität Heidelberg.

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