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Politik: "Neue und alte Kriege": Weniger Intensität

Die bis vor einigen Jahren in der Konfliktforschung noch gängigen Definitionen des Krieges verlieren zunehmend an Aussagekraft: Begriffe wie Befreiungskrieg, Kolonialkrieg, Sezessionskrieg, oder Bürgerkrieg erscheinen immer weniger geeignet, die neue Realität bewaffneter Konflikte des 21. Jahrhunderts zu beschreiben.

Die bis vor einigen Jahren in der Konfliktforschung noch gängigen Definitionen des Krieges verlieren zunehmend an Aussagekraft: Begriffe wie Befreiungskrieg, Kolonialkrieg, Sezessionskrieg, oder Bürgerkrieg erscheinen immer weniger geeignet, die neue Realität bewaffneter Konflikte des 21. Jahrhunderts zu beschreiben. Insofern ist es begrüßenswert, dass in der Konfliktforschung derzeit ein Paradigmenwechsel stattfindet. Die These, die auch Mary Kaldor vertritt: Die konventionell geführten Kriege des 20. Jahrhunderts wandeln sich weltweit immer mehr in "Low Intensity Wars" - also Kriege von geringer Intensität. Was meint "geringe Intensität"? Sind diese "kleinen Kriege" weniger grausam, weniger verheerend, mit weniger Opfern verbunden? Mitnichten.

Es sind vor allem die weltweit aufbrechenden Eigeninteressen, die das Bild der "neuen Kriege" prägen. Die These vom "Ende der Ideologien" war insofern nicht nur verfrüht - sie war auch falsch.

Doch auch die Form der Kriege hat sich verändert: Ihre einzige Methodik scheint darin zu bestehen, dass sie kaum noch Regeln aufweisen. Am Beispiel des früheren Jugoslawiens macht das Kaldor deutlich: "Ethnische Säuberungen" als alleiniges Kriegsziel, Terror gegen die Zivilbevölkerung, keine Unterscheidung von Kombattanten und Zivilisten, Massenmord und Massenvergewaltigungen. Der neue Krieg ist grenzenlos. Er weist weniger denn je noch jenen "Wellencharakter auf, den er für Zivilisten noch hatte, wenn die Front für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum über eine Region hinwegzog: Er ist heute vielmehr ein langanhaltender extremer sozialer Ausnahmezustand, der für die Bewohner einer bestimmten Region nur noch die eine Alternative übriglässt: Tod oder Flucht.

Wer darf, kann und soll bei solchen Konflikten eingreifen? Die EU, die Nato, die UN oder die USA? Was sind die Ziele der Interventionstruppen? Vertreibung eines definierten Aggressors oder Sicherung eines gewaltsam erreichten Status quo? Das sind die Fragen, mit denen sich die Staatengemeinschaft konfrontiert sehen wird.

Die Autorin sieht nicht ohne Grund die Gefahr, dass mangels anderer Alternativen der Konflikteindämmung bloße "Spektakelkriege" geführt werden. Wirkliche Lösungsvorschläge hat indes auch sie nicht: Der von ihr im Schlusskapitel entworfene "alternative Ansatz" zur Konfliktlösung ist schon deshalb nicht wirklich einer, weil er ähnlich wie viele andere zuvor sich eben hauptsächlich in Mahnungen erschöpft, "die Strukturen zu ändern".

Andreas Schworck

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