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Serbiens Präsident Vucic (r) warf Ministerpräsident Hoti nach dem Treffen in Brüssel vor, unrealistische Forderungen zu stellen.

© ANDREJ ISAKOVIC / AFP

Neue Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo: Schwieriger Neustart nach 20 Monaten Gesprächspause

Nach anderthalb Jahren führen Serbien und Kosovo wieder direkte Gespräche. Das Ergebnis fällt nach Ansicht beider Seiten sehr unterschiedlich aus.

Spitzenpolitiker aus Serbien und dem Kosovo haben sich erstmals seit 20 Monaten wieder persönlich zu von der EU vermittelten Gesprächen in Brüssel getroffen. Er erwarte, dass die Diskussionen zu einer umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien beitrügen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Er sei froh, dass die EU wieder in der Vermittlerrolle sei.

An den Gesprächen nahm für Serbien Präsident Aleksandar Vucic und für das Kosovo Ministerpräsident Avdullah Hoti teil. Die beiden hatten sich am Sonntag bereits zu einer Videokonferenz mit Borrell und dem EU-Sonderbeauftragten für den Balkan, Miroslav Lajcak, zusammengeschaltet.

Der serbische Präsident Vucic warf dem kosovarischen Ministerpräsidenten Hoti nach dem Treffen in Brüssel vor, unrealistische Forderungen zu stellen. Er wolle die Streitigkeiten mit dem Kosovo beilegen, sagte Vucic. „Aber es ist offensichtlich, dass die Unterschiede in allen wichtigen und strategischen Fragen im Moment zu groß sind.“

Unterschiedliches Fazit

Das Kosovo hatte sich 2008 von Serbien losgesagt. Anders als die meisten EU-Länder erkennt Serbien die Unabhängigkeit bis heute nicht an. Die EU macht dies aber zur Vorbedingung für einen Beitritt des Landes. 

Vucic warf Hoti nach dem Treffen vor, dieser sei nicht zum Reden nach Brüssel gekommen, sondern um Serbien zu „erpressen“. „Ist es angenehm, Hoti gegenüberzusitzen und dem Geschwafel zuzuhören, wonach sie die Opfer sind und wir die Bösen? Nein“, sagte Vucic. Die Vertreter des Kosovo wollten alles „über Nacht lösen und versuchen Serbien dazu zu bringen, alles zu akzeptieren, was sie wollen.“

Hoti zog hingegen ein positiveres Fazit: In Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung seien Fortschritte erzielt worden, erklärte er im Anschluss.

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Gespräche über sein dem Krieg vermissten Menschen 

Nach Angaben Lajcaks ging es bei den Gesprächen am Donnerstag unter anderem um die wirtschaftliche Zusammenarbeit und um seit dem Kosovo-Krieg vermisste und vertriebene Menschen. „Ich bin froh, dass die beiden Staats- und Regierungschefs nach dem heutigen ersten Meinungsaustausch vereinbart haben, die Arbeiten bereits in der kommenden Woche intensiv auf Expertenebene weiterzuführen“, sagte der EU-Sonderbeauftragte am Abend. Anfang September solle es dann ein nächstes Spitzentreffen in Brüssel geben.

Ziel der Gespräche ist es, das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo zu klären. Es ist derzeit äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht.

Erleichterungen im Alltag

2011 begonnene, von der EU vermittelte Gespräche zwischen Belgrad und Pristina führten zu einigen Erleichterungen im Alltag wie zu einer gewissen Reisefreiheit zwischen den beiden Balkanländern. Bei größeren Themen wie der Anerkennungsfrage vermochten die Seiten ihre Differenzen bislang nicht zu überbrücken. Seit Ende 2018 lag der Dialog auf Eis.

Ein Versuch der US-Regierung unter Präsident Donald Trump, den Gesprächsprozess an der EU vorbei neu zu starten, war zuletzt gescheitert. Ein Ende Juni geplantes Spitzentreffen im Weißen Haus in Washington platzte, nachdem der Kosovo-Sonderstaatsanwalt in Den Haag den kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci vorläufig angeklagt hatte. Dem ehemaligen Guerilla-Kommandanten legt er schwere Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskampf gegen Serbien zur Last. Thaci und Regierungschef Hoti sagten daraufhin ihre Teilnahme ab.(dpa, AFP)

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