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Durch neue Methoden sollen die Zahlen zur Kinderarmut in Deutschland genauer geworden sein.

© dpa

Neue Zahlen: Kinderarmut niedriger als angenommen

2009 wurde die Politik durch alarmierende Zahlen von Kinderarmut in Deutschland aufgeschreckt. Jetzt korrigiert das DIW die Daten massiv nach unten.

Die Kinderarmut in Deutschland ist deutlich niedriger als bisher angenommen. Der Anteil von Armut betroffener Kinder in Deutschland habe im Jahr 2005 nur zehn Prozent betragen, teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag nach einer umfassenden Datenkorrektur mit – und nicht 16,3 Prozent. Diesen Wert hatte die Industrieländerorganisation OECD im September 2009, drei Wochen vor der Bundestagswahl, veröffentlicht und damit Diskussionen über die Erhöhung des Kindergeldes ausgelöst. Aktuell liegt die Kinderarmutsquote bei 8,3 Prozent, wie die OECD in ihrem Bericht im April veröffentlichte.

DIW-Chef Gert G. Wagner wies am Freitag Vorwürfe zurück, das Berliner Institut habe falsche Daten zur Kinderarmut veröffentlicht. „Eine Datenpanne hat es nicht gegeben“, sagte er. Durch neue Methoden seien die Zahlen lediglich genauer geworden. Sein Institut habe bereits Ende 2009 auf die Korrektur der Daten hingewiesen. Für ihre Ländervergleiche bezieht die OECD ihre Daten für Deutschland aus dem sozioökonomischen Panel des DIW. Die Befragung, in der unter anderen Daten zu Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit ermittelt werden, wird seit 25 Jahren in rund 11 000 deutschen Haushalten durchgeführt und ist international angesehen.

Die Datenkorrekturen waren laut DIW erforderlich, weil immer mehr Bürger die Auskunft verweigern, wenn es um statistische Befragungen geht. „Das Problem hat sich in den vergangenen Jahren verschärft, unter anderem weil die Menschen massiv von Telefonmarketing-Aktionen gestört werden“, erläuterte der zuständige DIW-Experte Markus Grabka. Vor allem Haushalte mit geringen oder überdurchschnittlich hohen Einkommen füllen die Fragebogen nicht aus, was zu Verzerrungen in der Statistik führt. Mit neuen wissenschaftlichen Methoden versucht das DIW nun seit einiger Zeit, solche Messfehler zu bereinigen. Es sei wahrscheinlich, dass sich die Ergebnisse mit der in diesem Jahr durchgeführten Volkszählung erneut verändern.

Der 2009 im Bundestagswahlkampf vermeldete Wert der Kinderarmut von 16,3 Prozent lag deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 12,3 Prozent. Auch wegen der damals alarmierenden Ergebnisse beschloss die schwarz-gelbe Koalition nach der Wahl eine Anhebung des Kindergelds um 20 Euro auf 184 Euro – trotz der angespannten Haushaltslage. Den Staat kostet diese Anhebung jährlich vier Milliarden Euro.

Die DIW-Experten weisen allerdings darauf hin, dass das Problem der Kinderarmut weiterhin akut sei. Die großen Schwankungen der Daten lägen daran, dass „eine große Zahl der Haushalte genau an der Einkommensschwelle liegt“, erklärte Grabka. Deswegen habe das DIW immer angemahnt, sich nicht nur auf einen Wert zu berufen. „Die generellen Trends bleiben vollständig erhalten.“ Kinder blieben die in Deutschland am stärksten von Armut betroffene Bevölkerungsgruppe. Auch das Bundesfamilienministerium ließ verkünden, dass man keinen Anlass sehe, die staatlichen Leistungen für Kinder zu überprüfen.

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