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Politik: Neuer Ärger um die Ostsee-Pipeline

Schweden und Finnland fordern eine andere Route, Polen beansprucht Gebiet für sich – muss der Baubeginn verschoben werden?

Berlin - Der Baubeginn der deutsch- russischen Ostsee-Pipeline droht sich durch anhaltende Kritik aus den nordeuropäischen Ländern und neue Probleme zu verzögern. Alle Staaten, die dem Bau der Erdgas-Pipeline zustimmen müssen, haben inzwischen ihre Stellungnahmen zu einem Bericht der Betreibergesellschaft Nord Stream abgegeben. Besonders Schweden und Finnland sehen aber noch erheblichen Klärungsbedarf. Beide Länder kritisieren die geplante Route der Pipeline und verlangen von Nord Stream, Alternativen vorzuschlagen. An Nord Stream sind der russische Energiekonzern Gasprom sowie die BASF-Energietochter Wintershall und Eon Ruhrgas beteiligt; Aufsichtsratschef ist Altkanzler Gerhard Schröder.

„Es muss die Route gewählt werden, die die Umwelt so wenig wie möglich beeinträchtigt“, sagte John Sjöström von der schwedischen Umweltschutzbehörde dem Tagesspiegel. „Wir wollen in der Umweltverträglichkeitsprüfung andere Alternativen sehen“, sagte auch Seija Rantakallio vom finnischen Umweltministerium. Der Meeresboden im Finnischen Meerbusen sei sehr uneben. „Es wäre eine schwierige Aufgabe, dies auszugleichen“, sagte Rantakallio. Umweltschützer warnen ebenfalls vor erheblichen Problemen, falls die Pipeline so gebaut wird wie geplant: „Dann würde die Pipeline an mehr als 100 Stellen über 70 Meter durchhängen“, sagte Jochen Lamp, Leiter des Ostseebüros der Umweltschutzorganisation WWF. „Es ist völlig unklar, wie stabil das Ganze ist.“ Nord Stream wies die Kritik zurück: „Diese Art von Pipeline-Verlegung ist alles andere als ein Abenteuer“, sagte Sprecher Jens Müller dem Tagesspiegel. So etwas gebe es in der Nordsee bereits auf mehreren tausend Kilometern.

Finnland sähe es offenbar gern, wenn die Leitung weiter südlich verliefe. Allerdings liegt die von Nord Stream vorgeschlagene Route ohnehin schon sehr dicht am Rand der finnischen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), dem Bereich, in dem ein Land bestimmte Hoheitsrechte hat. Eine Verlegung der Pipeline weiter südlich würde bedeuten, dass die Gasleitung in der estnischen AWZ verliefe. Dann müsste auch Estland zustimmen – doch die baltischen Staaten standen ebenso wie Polen der Pipeline von Anfang an ablehnend gegenüber. Bei einem Treffen mit Vertretern der betroffenen Länder in Stockholm in der vergangenen Woche habe sich Nord Stream zur Frage der Alternativen sehr zurückhaltend geäußert, heißt es aus Teilnehmerkreisen. „Wir prüfen, was zur Optimierung des Routenverlaufs nötig ist“, sagte Müller. Die derzeit geplante Route sei bereits das Ergebnis umfassender Studien. „Wir haben die Aufgabe, den ökologisch günstigsten Weg zu gehen, dürfen gleichzeitig aber auch kommerzielle Erwägungen nicht außer Acht lassen.“ Fraglich ist also, ob Nord Stream sich auf eine deutlich teurere Variante einlassen würde.

Außerdem ist jetzt ein neues Problem aufgetaucht: Polen streitet mit Dänemark über die Grenze ihrer ausschließlichen Wirtschaftszonen. In einer Stellungnahme aus Warschau heißt es, die Pipeline verlaufe auch durch die polnische AWZ. Dieser Grenzkonflikt hat alle Beteiligten überrascht, die schon seit April 2006 miteinander im Gespräch sind. Wann und wie der Streit beigelegt werden kann, ist völlig unklar. „Völkerrechtliche Fragen werden in der Regel nicht so schnell geklärt“, sagte Christian Dahlke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg, das in Deutschland für das Genehmigungsverfahren zuständig ist. Nord Stream warnte davor, das Projekt zu blockieren: „Ungeklärte Fragen zwischen zwei Ländern sollten ein von der EU als prioritär bezeichnetes Projekt nicht behindern“, sagte Müller.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen die Anrainerstaaten auch, wie Nord Stream mit den Munitionaltlasten umgeht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee verklappt wurden. Neben konventioneller Munition geht es dabei auch um chemische Waffen. Nord Stream will dazu umfassende Untersuchungen anstellen und die betroffenen Gebiete notfalls umgehen. „Wir werden darauf achten, dass das auch passiert“, sagte Dahlke.

Angesichts der vielen Probleme wachsen die Zweifel daran, dass Nord Stream den ehrgeizigen Zeitplan einhalten kann. Im Frühherbst will das Unternehmen seinen Bericht über die Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegen, im kommenden Jahr soll der Bau beginnen, ab 2010 soll die Pipeline russisches Erdgas nach Deutschland liefern. „Angesichts der erforderlichen Untersuchungen erscheint der Zeitplan sehr eng“, sagte Rantakallio. Auch in Stockholm heißt es, er sei „sehr, sehr optimistisch“. Nord Stream habe trotz aller Kritikpunkte nichts daran geändert. Zumindest offiziell hält Nord Stream am Zeitplan fest: „Das ist unser Maßstab und unsere Orientierung“, sagt Müller. Aber hinter den Kulissen haben sich die beteiligten Firmen offenbar darauf eingestellt, dass sich der Baubeginn verzögern kann. Wintershall-Chef Reinier Zwitserloot sagte am Freitag in Berlin, sollte es Verzögerungen in der Genehmigungsphase geben, könne dies in der Bauphase ausgeglichen werden.

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