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Neuer Bericht des Weltklimarats: Der Konsum als Klimawandel-Treiber

Mehr Menschen, mehr Fleischkonsum, mehr Agrarflächen - ohne Umsteuern in der Landwirtschaft und neue Waldflächen sieht der Weltklimarat schwarz.

Die Currywurst in Berlin, das Steak aus Argentinien, die Hax’n auf dem Oktoberfest. Das schmeckt vielen – doch die Klimabilanz ist verheerend. "Alles ist Wechselwirkung", sagte schon der Amerikareisende und große Forscher Alexander von Humboldt. In dem Jahr, in dem sein 250. Geburtstag gefeiert wird, zeigt sich das deutlich wie selten. Der Raubbau am Ökosystem Erde schlägt voll auf den Mensch zurück. Wenn es noch eines Beweises für einen menschengemachten Klimawandel bedarf, dann liefert ihn der am Donnerstag in Genf vorgestellte Sonderbericht des Weltklimarats zur Landnutzung.

Drei Fakten: Die Land- und Forstwirtschaft ist für 23 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nimmt man den Diesel, mit dem der Bauer Traktor fährt und die Energie für die Verarbeitung der Lebensmittel hinzu, ist es sogar ein Drittel aller Emissionen. Die Nutzung durch den Menschen beeinflusst über 70 Prozent der globalen, eisfreien Landoberfläche. Und die Temperatur über den Landflächen ist fast doppelt so stark angestiegen wie die Durchschnittstemperatur. Fünf Lehren aus dem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Überblick.

1,53 Grad

Schon heute liegt der Temperaturanstieg über den Landflächen weit höher als im Durchschnitt auf der Erde einschließlich der Ozeane: bei 1,53 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, wie es in dem Bericht heißt. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, den Temperaturanstieg auf möglichst nur 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Bei den Landflächen ist der Wert also schon erreicht, aber dank der kühlenden Ozeane liegt der globale Temperaturanstieg bisher „erst“ bei 0,87 Grad. Doch gerade war der Juli der heißeste Monat seit Beginn der Temperaturmessungen.

In Agrarländern wie Brasilien und Argentinien, die weltweit exportieren, kommt der massenhafte Glyphosat-Einsatz als weiteres Problem hinzu. Wer einmal auf den riesigen Sojafeldern stand, weiß: es ist unglaublich heiß – und absolut still, keine Vögel, die zu hören sind. Die industrielle Landwirtschaft und der globale Fleischhunger machen ein Umsteuern so schwer – zudem kann die Weltbevölkerung von 7,7 auf bis zu zehn Milliarden steigen, was den Bedarf an Agrarflächen weiter steigern könnte. Dass aber auch die Finanzmärkte keine Alternative zu einem Wandel beim Konsum sehen, zeigt das zeitweilige Kursfeuerwerk beim Börsenneuling Beyond Meat, dem Hersteller von Buletten, die zwar nach Fleisch schmecken, aber vegan sind.

Eine Holzfabrik in Brasilien
Eine Holzfabrik in Brasilien

© dpa

Wüste statt Wald

Allein im Amazonas-Regenwald ist seit 1970 eine Waldfläche von der Größe der Türkei verschwunden – insgesamt 17 Prozent der Fläche. Forscher halten 20 bis 25 Prozent für die kritische Marke, an der der Regenwald unwiderruflich zu kippen beginnt, hin zu einer Savannenlandschaft. Denn durch die höheren Temperaturen über freien Landflächen, ohne die kühlenden und CO2 aufnehmenden Bäume, schreiten diese Flächen voran, da das Wasser knapp wird. Grundwasserspiegel sinken – und das ohnehin knappe Wasser wird für Rinderzucht und den Tierfutteranbau (Soja) verbraucht.

Eine der wichtigsten Handlungsanweisungen in dem Bericht lautet daher: aufforsten. Bäume als wichtigste Waffe im Kampf gegen die Erderwärmung. Am besten auch finanzielle Unterstützungen für besonders vom Agrarexport abhängige Staaten, um dort die Abholzung einzudämmen. Berechnungen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigen, dass die Erderwärmung mit Aufforstung bei unter zwei Grad gehalten werden kann. Doch Bäume müssen erst einmal wachsen – es wirkt wie eine Beruhigungspille, um nicht an dem anzusetzen, dass die Krise ausgelöst hat: dem Konsumverhalten des Menschen. Nach Schätzungen landen zudem bis zu 30 Prozent aller Nahrungsmittel im Müll – sinnlos verursachte Treibhausgase.

Fleischkonsum

Eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Nahrungsmitteln und nachhaltig produziertem Fleisch ist die beste Möglichkeit, das Klima zu schützen, schreibt der IPCC in seinem Bericht. Gleichzeitig hätte diese Ernährungweise einen erheblichen Nutzen für die menschliche Gesundheit. Für das Klima ist Fleisch deshalb problematisch, weil es mehr Land für die Produktion der gleichen Menge Kalorien verschlingt wie Gemüse oder Getreide. Wenn die Menschheit Land für die Viehhaltung einsparen würde, wäre auch mehr Platz für die Aufforstung übrig.

Es stünde sogar noch Land für Bioenergie zur Verfügung, meist die Nutzung von Holz zum Heizen oder für die Stromerzeugung. Wenn man das dabei entstehende Kohlendioxid auffangen und speichern würde, könnte man sogar negative Emissionen erreichen. Ohne sie kommt kaum ein Szenario aus, in dem die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt wird.

Fleisch ist aber nur ein Faktor unter mehreren: „Mit politischer Umsteuerung in Richtung auf eine gesunde Ernährung, einem moderaten Konsum, einem stabilisierten Bevölkerungswachstum und der Reduktion fossiler Energieträger wäre genug Landfläche vorhanden“, sagte Hans-Otto Pörtner, leitender IPCC-Wissenschaftler bei der Vorstellung des Berichts.

Und Fleisch ist auch nicht gleich Fleisch. Besonders rotes Fleisch ist klimaschädlich. Wenn alle US-Amerikaner kein mehr Rindfleisch mehr essen würden, sondern nur noch Geflügel, könnten zusätzlich rund 130 Millionen Menschen im Land ernährt werden, steht in einem der 6000 wissenschaftlichen Aufsätze, die der Weltklimarat für den Bericht sichtete. Der IPCC spricht aber keine Empfehlungen aus, wie sich Menschen ernähren sollten, sondern stellt nur die Fakten zusammen. „Wir achten sehr darauf, dass wir diese Linie nicht überschreiten“, erklärte James Skea vom IPCC.

Nahrungsknappheit

Der Klimawandel wirkt sich durch steigende Temperaturen schon heute auf die Ernährungssicherheit aus, weil sich die Niederschlagsmuster verändern und Extremwetter häufiger wird. Zwar steigen die Erträge in nördlichen Breiten, was aber den Rückgang andernorts nicht ausgleicht. 820 Millionen Menschen gelten heute als unterernährt. "Die Stabilität des Nahrungsmittel-Angebots wird voraussichtlich sinken, da das Ausmaß und die Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen, die die Lebensmittelproduktion beeinträchtigen, steigen werden", sagt der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, Hoesung Lee. Durch den Klimawandel wird die Verfügbarkeit von Lebensmitteln abnehmen, wodurch die Preise steigen, schreibt der IPCC. Das wird sich vor allem auf Verbraucher mit geringer Kaufkraft auswirken. Höhere Preise drücken bei ihnen auf die Nachfrage, was nicht nur zu einer geringeren Kalorien- und Proteinaufnahme führen wird, sondern wahrscheinlich auch zu einer weniger gesunden Ernährung. Der Kampf gegen Unterernährung in all ihren Formen wird dadurch schwieriger.

Umsteuern ist möglich

Aus dem Bericht leitet Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) drei konkrete Maßnahmen für Deutschland ab. „Wir brauchen mehr Ökolandbau“, sagt Schulze. In Deutschland liegt das Ziel bei 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, erreicht wurde bisher aber nur rund die Hälfte. Auch bei der EU-Agrarförderung müsse man dem 20-Prozent-Ziel näherkommen. Der Ökolandbau ist deshalb klimafreundlich, weil kein Kunstdünger verwendet wird. Außerdem wird die natürliche Fähigkeit des Bodens gestärkt, Kohlenstoff aufzunehmen. Weiter will Schulze mehr Moore vernässen und sich für den Umbau der Wälder einsetzen, um hier mehr CO2 zu sparen. Hans-Otto Pörtner nennt noch zwei globale Maßnahmen: Ein Preis auf Kohlendioxid und ein Umlenken der Finanzströme Richtung grünes Wirtschaften.

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