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Kompromiss am Abend? Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt), Stanislaw Tillich (Sachsen), Hannelore Kraft (NRW), Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg).

© dpa

Neuer Länderfinanzausgleich: Ministerpräsidenten vertagen sich - mal wieder

Nach Monaten der Blockade deutete sich beim Treffen der Regierungschefs der Länder am Mittwoch ein Ergebnis beim neuen Finanzausgleich an. Doch zum Konsens kam es vorerst nicht.

Sie tagten bis kurz vor 23 Uhr. Dann ließen offenbar die Kräfte nach. Im 2. Stock des Bundesrats waren die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwochabend zusammengekommen, um wieder Bewegung in die stockenden Verhandlungen zur Neuordnung des Finanzausgleichs zu bekommen. Obwohl es auch skeptische Stimmen gab, zeichnete sich zunächst ein Ergebnis nach der monatelangen Blockade ab. Dann aber, nach einigem Hin und Her bei den Berechnungen, vertagten sich die Länderchefs – mit offenem Ergebnis.

Am Tag zuvor hatten sich die Länderchefs von CDU und CSU in München auf ein Modell verständigt, das sowohl Interessen der Zahlerländer Bayern und Hessen als auch Forderungen der ostdeutschen Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt berücksichtigte. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ging daher davon aus, dass die Länder sich in ihrer Gesamtheit einigen könnten. Der Knoten sei durchschlagen. „Die Union hat ein Konzept entwickelt, mit dem es gelingen kann, die Geberländer zu entlasten und den Osten weiter zu stabilisieren“, sagte auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU).
Das in München gefundene Kompromissmodell geht zurück auf einen Vorschlag der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), aber auch Vorstellungen, die der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der vorigen Woche mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten. Kern beider Vorschläge ist die Reduzierung des Finanzausgleich zwischen den Ländern auf nur noch eine Stufe (von bisher zwei) und eine neue Sonderzuweisung des Bundes an die Länder, welche an die kommunale Finanzkraft gebunden ist. Ist diese in einem Land stark unterdurchschnittlich, soll sie durch Bundesmittel ausgeglichen werden. Aktuell käme diese Sonderzuweisung nur den Ost-Ländern zugute, könnte grundsätzlich aber auch für West-Länder gelten. Sie ist dynamisch ausgestaltet, sieht also keine festen Beträge vor, sondern verändert sich mit der Finanzlage von Städten, Gemeinden und Kreisen. Diese Sonderzuweisung für unterdurchschnittliche kommunale Finanzkraft vermeidet somit eine dauerhafte Ost-Förderung mit einem Fixbetrag, was West-Länder ablehnten. Zudem soll sie im Grundgesetz verankert werden, was der Forderung der ostdeutschen Regierungschefs nach einem regelgebundenen Ausgleichssystem entspricht.

Eine Hauptforderung von NRW wird aufgegriffen

Im Sinne der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), aber auch von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) müsste sein, dass in dem neuen Modell der umstrittene Umsatzsteuervorwegausgleich fehlt und der Finanzausgleich transparenter wäre. Das Ende des Umsatzsteuervorwegausgleichs, der nicht über die Landeshaushalte abgewickelt wird und daher sozusagen versteckt stattfindet, war die Hauptforderung Krafts in den bisherigen Gesprächen. In ihn fließen Mittel aus NRW ein, während das Land im sich anschließenden Länderfinanzausgleich (der als Plus oder Minus in den Landesetats sichtbar ist) zum Nehmerland wird. In dem neuen Modell wird die Finanzkraft der Kommunen beim Finanzausgleich zu 75 statt bisher 64 Prozent angerechnet. Das war die obere Linie, die Bayern und Baden-Württemberg zu akzeptieren bereit waren. Schäuble wollte bisher eine Lösung mit zusätzlichen 8,5 Milliarden Euro des Bundes erleichtern. Ob es dabei bleibt oder ob der Bund noch ein wenig mehr zuschießt, war allerdings am Abend unklar. Die Spanne, um die es im Kreis der Ministerpräsidenten ging, lag zwischen 9,0 und 9,6 Milliarden Euro.

Überraschung für Berlin

Eine Überraschung könnte eine endgültige Einigung noch für die Stadtstaaten bringen, vor allem für Berlin. Die höhere Wertung der Einwohnerzahl mit 135 Prozent soll, wie der Tagesspiegel erfuhr, auf 130 Prozent sinken. Vor allem Berlin hat einen solchen Schritt bisher kategorisch ausgeschlossen. Allerdings könnte die Hauptstadt durch die neue Sonderzuweisung des Bundes stärker profitieren. Auch eine andere Kompensation ist denkbar, indem die weiteren Zuweisungen des Bundes neu berechnet werden. Laut Bouffier wird es nach dem in München besprochenen Modell keinem Land nach 2019 schlechter gehen als nach dem bislang geltenden Finanzausgleich, der dann endet. Bayern und Nordrhein-Westfalen stünden nach dem Münchner Vorschlag jeweils um 1,4 Milliarden Euro besser da, Baden-Württemberg hätte eine Milliarde mehr, Hessen gut 600 Millionen. Die Ost-Länder könnten insgesamt mit etwa zwei Milliarden Euro profitieren, Berlin wäre mit einem Plus gegenüber dem Status quo von knapp 300 Millionen dabei. Nach den Berechnungen von Scholz ergab sich jedoch eine andere Gewichtung, in der die Zahlerländer weniger gut wegkamen. Diese hatten stets darauf gepocht, in einem neuen Finanzausgleich weniger Lasten zu tragen, Bayern und Hessen klagen deswegen auch in Karlsruhe. Strittig waren am Abend vor allem diese konkreten finanziellen Auswirkungen. Hier gab es vorerst keine Annäherung.

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