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Neuer Ministerpräsident in Thüringen: Die große Chance des Bodo Ramelow

Es war eine starke Botschaft, mit der sich Bodo Ramelow für sein Amt empfahl: Der erste Ministerpräsident der Linkspartei bat die Opfer der SED-Diktatur um Vergebung. Thüringen könnte mit ihm zum Modell für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Der Gewerkschafter aus dem Westen bot den politischen Gegnern einen fairen Umgang an und präsentierte sich als Brückenbauer nach dem Vorbild von Johannes Rau: „Versöhnen statt spalten“. Ein Versprechen ist noch keine Tat, und die Widerstände in Bodo Ramelows Partei gegen eine Aufarbeitung der Geschichte der DDR sind noch immer groß. Doch das Angebot für einen Dialog zwischen Opfern und Tätern verdient eine Chance.

Schon sprechen manche in Ramelows Regierung davon, der könne der „Kretschmann Thüringens“ werden – also der Ministerpräsident einer Außenseiterpartei, der mit seiner Persönlichkeit Vertrauen gewinnt und durch Kompromisse sein eigenes Lager stärker verändert als das Land, das er regiert.

Die CDU profitiert von Rot-Rot-Grün

Die Republik wird keine andere, nur weil Bodo Ramelow gewählt ist. Das Störpotenzial der Linken in der Europa- und Außenpolitik über den Bundesrat ist entgegen Angela Merkels Warnung nicht größer geworden. Doch die Union nutzt die Entscheidung der SPD für Rot-Rot-Grün, um sich als einzige Kraft der Mitte zu empfehlen. Es gehört wenig Fantasie zu der Voraussage, dass sie auch im Bundestagswahlkampf 2017 vor einer rot-rot- grünen Bundesregierung warnen wird. Denn eine Mehrheit der Deutschen will dieses Experiment nicht erleben.

Für die SPD ist die Lage weit komplizierter, weshalb Sigmar Gabriel über die Entscheidung der Thüringer Genossen nicht glücklich war. Sie schwächt die Stellung der SPD im Osten. Wer sich zum Juniorpartner der Linkspartei macht, gibt den Anspruch auf die Führung im linken Lager auf. Die Linkspartei aber kann an Gewicht gewinnen, wenn Ramelow Erfolg hat, was angesichts seiner knappen Mehrheit schwer wird.

Die SPD in der Klemme

Im Bund sieht es nicht viel besser aus für die SPD. In der politischen Mitte, in die Gabriel seine Partei führen will, schadet der SPD der Verdacht, sie wolle im Kanzleramt mit den SED-Nachfolgern paktieren. Dabei sind die politischen Gräben zwischen SPD und Linken fast unüberwindbar geworden.

Das liegt vor allem daran, dass die Linkspartei im Ukraine-Konflikt offen Partei für Putin nimmt. Auch passt eine Annäherung an Sahra Wagenknechts Partei nicht zum Versuch des Vizekanzlers, der SPD einen wirtschaftsfreundlichen Kurs zu verordnen. Die bizarre Jagd von Gesinnungstätern auf Gregor Gysi im Bundestag hat zudem gezeigt, dass in der Fraktion Kräfte unterwegs sind, die sich jeder Kontrolle entziehen.

Zwar giert die SPD geradezu nach einer Alternative zur großen Koalition, da die Aussicht auf ein Weiterregieren mit und unter Angela Merkel auf ihre Wahlkämpfer so belebend wirkt wie eine Klinikpackung Schlaftabletten. Doch spricht heute wenig dafür, dass Sigmar Gabriel ein solches Experiment in drei Jahren tatsächlich wagen will.

Kein Meilenstein, aber ein Wegweiser

Bodo Ramelow hat deshalb recht: Seine Wahl markiert noch kein historisches Datum – jedenfalls keines für die Republik. Gelingt jedoch der Prozess der Versöhnung von Opfern und Tätern, den er verspricht, könnte er über Thüringen hinaus zum Modell für den Umgang mit DDR-Geschichte werden. Bis dahin muss der christliche Gewerkschafter allerdings noch einen sehr weiten Weg gehen.

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