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Noch weist die Polizei den Weg. Bahnhof Passau im Januar.

© dpa

Neuer Ton der Koalition in der Flüchtlingspolitik: Opposition: Regierung simuliert Handlungsstärke

Mehr Abschiebungen, mehr Kontrolle, mehr Polizei: Vor den Wahlen im März ändern Union und SPD ihre Tonart in der Flüchtlingspolitik. Linke und Grüne kritisieren das.

Die Landtagswahlen Mitte März rücken näher. In den Koalitionsparteien, die in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt konkurrieren, wächst die Nervosität. Die wachsende Zustimmung zur Alternative für Deutschland (jedenfalls bis zu den Äußerungen zum Schusswaffengebrauch an den Grenzen) macht Union und SPD zu schaffen. Denn die potenziellen AfD-Wähler kommen nicht nur aus dem Nichtwählerreservoir, sondern auch aus den Lagern der CDU und der SPD. Das hat Folgen für die Flüchtlingspolitik. Vor diesem Hintergrund kam es zur schnellen Einigung beim Asylpaket II in der vorigen Woche. Und in den letzten Tagen hat sich auch die Tonart der Koalition merklich verändert und lässt mehr Härte anklingen. Die Opposition im Bundestag sieht das mit einer Mischung aus Verwunderung und und Kritik. Sie lehnt Verschärfungen ab. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wirft Union und SPD vor, aus Wahlkampftaktik Stärke zu simulieren. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnt vor einem verbalen Überbietungswettbewerb.

Merkel klingt etwas anders

Die Kanzlerin selbst hat, ohne von ihrer Generallinie abzurücken, einen Aspekt in den Vordergrund gerückt, der zwar selbstverständlich ist, aber unzufriedenen Anhängern Verständnis signalisieren soll: Sie erwarte, dass Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak nach dem Ende der Konflikte in ihre Heimatländer zurückkehren. Die von Merkel mitgegebene Erinnerung, dass dies im Fall der Balkankriegsflüchtlinge in den Neunzigerjahren vielfach der Fall gewesen sei, soll wohl beruhigend wirken. Das gilt auch für die Ankündigung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier, straffällige Asylbewerber nicht nur in deren Heimatländer abzuschieben (was schwierig ist), sondern auch in die Drittländer, über welche sie in die EU eingereist sind (was nicht einfacher wäre). Innenminister Thomas de Maizière (CDU) begab sich in Afghanistan auf eine asylpolitische Gratwanderung. Er machte dort sichere Gebiete aus – will allerdings nicht behaupten, „dass Afghanistan ein sicheres Herkunftsland ist“. Mit der Regierung in Kabul verhandelte er über Möglichkeiten, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen. Die CSU fordert, neben Marokko, Algerien und Tunesien noch elf weitere Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen – darunter Mali, wo die Bundeswehr ebenfalls im Einsatz ist.

Nahles und die "Seeheimer"

Auch in der SPD werden Signale größerer Härtebereitschaft gesetzt. Sie muss vor allem fürchten, dass ihre Traditionsbataillone in der Arbeiterschaft nicht mitziehen. Arbeitsministerin Andrea Nahles stellte daher klar, dass die Sanktionsmöglichkeiten für „unkooperative“ Bezieher von Sozialleistungen auch für Flüchtlinge gelten. „Wer Hilfe benötigt, bekommt sie“, sagte Nahles, „aber es gibt keinen Anspruch auf leistungslose Unterstützung.“ Wer einen Sprach- oder Integrationskurs ablehne, dem könnten die Behörden die Asylleistungen streichen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert strengere Auflagen beim Wohnsitz. Aus dem Seeheimer Kreis, der SPD-Rechten in der Bundestagsfraktion, kommt ein Vorschlag zur inneren Sicherheit. Die Runde um den Haushälter Johannes Kahrs fordern eine Aufstockung der Bundespolizei – nach dem wahlkampfbewährten Motto „klotzen, nicht kleckern“. Das geforderte Plus von 20000 Stellen geht nicht nur weit über die von der Regierung geplanten 3000 Stellen hinaus – es würde die Bundespolizei glatt um 50 Prozent vergrößern.

Göring-Eckardt: Plan für Integration

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte dem Tagesspiegel: „Die Verschärfungen sind der untaugliche Versuch vor den Landtagswahlen, Handlungsstärke zu simulieren.“ Stattdessen brauche es „echte Perspektiven in den Nachbarstaaten Syriens und einen nationalen Plan für Integration in Deutschland“. Das Zögern von SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Asylpaket II sei nur Taktik gewesen und habe es „im Ergebnis noch verschlechtert“. Die Beschränkung des Familiennachzugs gehe zu Lasten der am meisten Schutzbedürftigen, der Frauen und Kinder. Und es verschärfe die Lage für die Flüchtlinge, die schon in Deutschland seien.

Bartsch: Wer ruft lauter?

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht in der Koalition einen „verbalen Wettbewerb“ um den Titel „wer ruft lauter: kriminelle Ausländer schneller abschieben, härter bestrafen, Leistungen für Flüchtlinge kürzen“. Dieser Wettbewerb werde immer absurder. Dem Tagesspiegel sagte Bartsch: „Die Regierung sollte bestehende Gesetze anwenden und Ordnung für alle Menschen in unserem Land wiederherstellen. Wir stehen in Deutschland an einem Scheideweg: mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Menschlichkeit oder Radikalisierung der Gesellschaft.“

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