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Der Republikaner John Ratcliffe soll neuer US-Geheimdienstkoordinator werden.

© ALEX WONG / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / AFP

Neuer US-Geheimdienstkoordinator: Trump beruft mit John Ratcliffe einen weiteren Loyalisten

Dan Coats hatte dem Präsidenten bei der Analyse der Weltlage zu oft widersprochen. Nachfolger Ratcliffe redet Trump eher nach dem Mund. Eine Analyse.

So ändern sich die Zeiten. Ende Juli 2019 bedauert die deutsche Öffentlichkeit nahezu einhellig, dass Dan Coats Mitte August als Koordinator der US-Geheimdienste zurücktritt. Als der konservative Republikaner von 2001 bis 2005 US-Botschafter in Berlin war, waren die Sympathien der Deutschen für ihn weniger ausgeprägt.

Der Stimmungswandel hat wenig mit Coats zu tun. Er hat seine Ansichten nicht geändert: Die Welt sei ein gefährlicher Ort; der Westen brauche ein starkes Militär und leistungsfähige Geheimdienste, um die liberale Ordnung und die nationalen Interessen gegen die Feinde der Freiheit zu verteidigen.

Alles eine Frage der Alternative

Geändert haben sich jedoch die Aussichten, wer die Alternative zu ihm bildet. Damals kam der langjährige konservative Senator aus Indiana als Vertreter des in Deutschland unbeliebten Präsidenten George W. Bush nach Berlin. Als Alternative stellte man sich einen Demokraten vor, der mehr Empathie für europäische Weltanschauungen aufbringt. Wie vor Coats Richard Holbrooke und John Kornblum. Und nach Coats Phil Murphy und John Emerson.

2019 regiert Donald Trump die USA. Und wenn ein konservativer Republikaner im klassischen Verständnis wie Dan Coats als Geheimdienstkoordinator geht, dann folgt kein Liberaler, sondern jemand, der Trump im Zweifel mehr nach dem Mund redet. Zum Beispiel einer wie John Ratcliffe.

Coats sagt, was er denkt. Und ist deshalb regelmäßig mit Trump über Kreuz geraten. Als der Präsident nach Gesprächen mit Putin berichtete, der habe jede Einmischung in den US-Wahlkampf 2016 abgestritten und er glaube ihm, erinnerte Coats daran, dass die US-Geheimdienste das ganz anders sehen. Als Trump eine Charmeoffensive gegenüber Nordkoreas Diktator Kim Jong Un vorantrieb, warnte Coats, die USA sollten Kim nicht ohne Gegenleistung den Propagandaerfolg eines Treffens mit dem US-Präsidenten schenken. Coats mahnt auch, Irans Waffenprogramme und seinen Revolutionsexport ernst zu nehmen. Und Chinas expansive Strategie im Indopazifik nicht zu unterschätzen.

Wer sich nur mit Jasagern umgibt, verliert mit der Zeit wichtige Grundlagen für fundierte Entscheidungen. Donald Trump hält dies allem Anschein nach auch für völlig unwichtig.

schreibt NutzerIn a.fink

Vizepräsident Pence hielt Coats länger im Amt

Vermutlich wäre Coats schon längst nicht mehr Geheimdienstkoordinator, wenn der Vizepräsident nicht Mike Pence hieße. Pence stammt wie Coats aus Indiana. Sie haben ihre Karrieren in der Republikanischen Partei dort gegenseitig gefördert. Pence legte bei Trump ein gutes Wort ein, wenn dessen Unmut über Coats stieg. Und Pence redete Coats gut zu, wenn der aus Frust über Trump am liebsten gegangen wäre- Der 76-jährige Coats entsprach gewiss nicht der Wunschvorstellung europäischer Partner auf diesem Posten. Aber er gehört zu einer Generation, die den Austausch mit den Verbündeten ernst nahm und für wichtig befand. Er ist kein Vertreter der Denkschule, die USA könnten im Alleingang mehr erreichen. Wird der Austausch mit Ratcliffe ebenso intensiv weitergehen?

Der Geheimdienstkoordinator sitzt an einer potenziell sehr einflussreichen Stelle des Regierungsapparats bei der Vorbereitung außen- und sicherheitspolitischer Entscheidungen. Er entscheidet, welche Erkenntnisse der Dienste in welcher Tonlage und mit welcher Analyserichtung das Weiße Haus erreichen. Er kann die Einschätzung internationaler Konflikte zuspitzen. Oder abfedern.

John Ratcliffe ist 53 Jahre alt, also eine Generation jünger als Coats. Seit fünf Jahren sitzt er im Repräsentantenhaus. Er vertritt einen ländlichen konservativen Wahlbezirk im Nordosten von Texas. Zuvor leitete er das Amt für nationale Sicherheit und Terrorabwehr in Ost-Texas und war Staatsanwalt für die Region.

Die Mueller-Vernehmung im Kongress als Bewerbungsgespräch

In den jüngsten Wochen war er vor allem als loyaler Verteidiger Trumps aufgefallen. In den Anhörungen zur Wahlkampfbeeinflussung durch Russland und potenziell rechtswidrigen Eingriffen des Präsidenten in die Untersuchungen grillte Ratcliffe Sonderermittler Robert Mueller. Er behauptete, zum Beispiel, Mueller sei gar nicht berechtigt, öffentlich festzustellen, dass die Untersuchung keine eindeutige Unschuld Trumps ergeben habe, sondern man lediglich umgekehrt feststellen könne, dass sie keine eindeutige Belastung des Präsidenten zutage gefördert habe. Trump hatte mit Ratcliffe seit dem 19. Juli darüber gesprochen, ob er Coats als Geheimdienstkoordinator ersetzen wolle.

Die "New York Times" schrieb, Ratcliffe habe die scharfe Befragung von Mueller im Repräsentantenhaus wie ein Bewerbungsgespräch für den Job als Geheimdienstkoordinator genutzt. Und Trump habe den Auftritt mit Wohlgefallen verfolgt.

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