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Politik: Neues Atomgesetz?

Kieler Ministerin und Gabriel wollen Betreibern leichter die Lizenz entziehen können

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Als Konsequenz aus den Vorgängen in den schleswig-holsteinischen Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel wollen die Atomaufsichtsbehörden von Bund und Land nun das Atomgesetz ändern. Wie die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) am Donnerstag sagte, behindert die gegenwärtige Regelung die Atomaufsicht, wenn sie einen Lizenzentzug durchsetzen will. Deshalb prüfe man nun, ob im Atomgesetz die Beweislast auf Kraftwerksbetreiber übertragen werden könne. Entsprechend äußerten sich auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Hintergrund dafür ist, dass das Atomgesetz hohe Hürden für die Aufsicht errichtet, wenn einem Akw-Betreiber die Lizenz entzogen werden soll, weil er sich nicht mehr als zuverlässig erwiesen hat. Weil dem betroffenen Betreiber im Zweifelsfall eine Reihe Nachbesserungsmöglichkeiten gegeben sind, scheuen Behörden einen Lizenzentzug oft. Zudem muss die Atomaufsicht die Unzuverlässigkeit des Betreibers nachweisen, was dem wiederum Gelegenheit gibt, mit millionenschweren Schadenersatzklagen zu drohen, wenn der Nachweis vor Gericht nicht standhalten sollte.

Vor dem Landtag in Kiel erneuerte Trauernicht am Donnerstag ihre Vermutung, Vattenfall sei nach der Pannenserie in Krümmel und Brunsbüttel nicht mehr geeignet, Atomkraftwerke zu betreiben. Sie legte einen Zwischenbericht ihrer Behörde über die Vorgänge in den beiden Meilern Ende Juni vor. Eine endgültige Klärung der Brandursachen in Krümmel gab der Bericht jedoch nicht her. Die Ministerin sagte, abgesehen von unzureichenden Kommunikationsregeln sei im Akw Krümmel „eine strukturelle Überlastung von verantwortlichem Personal festzustellen“. Möglicherweise habe der Betreiber „bei der Bemessung und auch bei der Qualifizierung des notwendigen Personals zum zuverlässigen Betrieb seiner Kraftwerke Defizite zugelassen“. Sie fügte hinzu: „Ich sehe hier einen klaren Ansatzpunkt für die Prüfung der Zuverlässigkeit, die in der Sicherheitskultur des Unternehmens begründet sein muss.“ Der kommissarische Chef der Vattenfall-Atomsparte, Reinhard Hassa, betonte vor dem Sozialausschuss des Landtages, sein Unternehmen wolle durch eine umfassende Informationspolitik wieder um das Vertrauen der Menschen werben. Der Reaktor in Brunsbüttel bleibt indes wegen einer neuen Pannenmeldung – zu große Bohrlöcher – abgeschaltet. Brunsbüttel war schon am Mittwoch für einen Ölwechsel heruntergefahren worden.

Der Energieexperte der Grünen im Bundestag, Hans-Josef Fell, forderte unterdessen, Brunsbüttel und Krümmel so lange nicht mehr ans Netz gehen zu lassen, bis alle Sicherheitsbedenken ausgeräumt sind. Dem schloss sich der FDP-Chef von Schleswig-Holstein und Bundestagsabgeordnete Jürgen Kopppelin an. „Bevor nicht alles aufgeklärt ist, dürfen die Kraftwerke nicht ans Netz“, sagte Koppelin.

Fell griff außerdem Bundesumweltminister Gabriel an. Sicherheitsbedenken im Akw Brunsbüttel seien bereits in einer Sondersitzung des Bundestags-Umweltausschusses Anfang September 2006 geäußert worden, sagte Fell. Gabriel habe damals jedoch Forderungen abgelehnt, die Bundes-Atomaufsicht zur Prüfung einzuschalten. „Heute wissen wir, dass das ein Fehler war“, sagte Fell und warf Gabriel „sträfliche Vernachlässigung“ seiner Prüfungspflichten vor.

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