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Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen das Europaparlament stärken

© dpa/Hendrik Schmidt

Neues Grundsatzprogramm: Grüne wollen EU-Parlament als "zentralen Ort aller Entscheidungen"

Die Grünen legen Ideen für eine "Europäische Republik" vor: Einer vertieften europäischen Zusammenarbeit wollen sie mehr "Regionalismus" an die Seite stellen.

Die Grünen wollen die Europäische Union zu einer "Föderalen Europäischen Republik" weiterentwickeln. Angesichts einer komplexen Weltlage und der begrenzten internationalen Einflussmöglichkeiten Deutschlands sei eine "stetige Vertiefung und Verbesserung" der EU notwendig, heißt es in einem Zwischenbericht zum neuen Grundsatzprogramm, den die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck an diesem Freitag vorstellen wollen. "Eine solche EU kümmert sich auch um sozialen Schutz, innere Sicherheit, Verteidigung", sagte Baerbock dem Tagesspiegel: "Dafür bekommt sie eigene Kompetenzen." Außerdem soll nach dem Willen der Grünen das Europaparlament gestärkt und zu einer "echten zweiten legislativen Kammer" gemacht werden. Es wäre so der "zentrale Ort aller europäischen Entscheidungen", wie Baerbock sagt. Dazu soll auch das Initiativrecht zählen, als Parlament eigene Gesetzesvorschläge einzubringen.

Der zunehmenden Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit wollen die Grünen gleichzeitig einen "progressiven Regionalismus" an die Seite stellen. "Was lokal, national oder regional besser oder gleich gut entschieden werden kann, soll auch dort entschieden werden", heißt es - von der Daseinsvorsorge über die Kultur bis zur medizinischen Grundversorgung. "Starke Regionen geben Halt in einer entgrenzten Welt und machen unsere Gesellschaft vielfältiger", schreiben sie in ihrem Bericht.

Im Herbst 2020 soll das neue Grundsatzprogramm stehen

Vor etwa einem Jahr hat die Grünen-Führung mit der Arbeit am neuen Grundsatzprogramm begonnen, im Herbst 2020 soll der fertige Entwurf vorliegen. Ein erster Zwischenbericht soll an diesem Wochenende auf einem zweitägigen Konvent in Berlin mit der Parteibasis diskutiert werden. Dabei soll es einerseits um die gemeinsame Wertebasis der Grünen gehen. In dem Zwischenbericht geht es aber auch schon um erste Antworten auf aktuelle Probleme - wie im Kapitel zu Europa, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Mit der Idee einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit und der Ausweitung der Kompetenzen der EU schlagen die Grünen dabei in der Europapolitik auch einen anderen Weg als die CDU ein. Deren Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor kurzem deutlich gemacht, dass sie stärker auf die intergouvernementale Methode setzen wolle, also zwischenstaatliche Lösungen - was letztlich eine Schwächung des Europaparlaments bedeuten würde.

Eine stärkere europäische Integration fordern die Grünen unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ziel sei eine "gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion": Eine "permanente und enge" Zusammenarbeit der europäischen Streitkräfte sei "dringend" geboten, die Bundeswehr müsse deshalb in die Lage versetzt werden, einen verlässlichen Beitrag zur europäischen und globalen Sicherheit zu leisten, insbesondere im Rahmen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen. Um zu mehr Synergien zu kommen, müssten multinationale Einheiten ausgebaut und auch das gemeinsame europäische Hauptquartier in Brüssel gestärkt werden. Aber auch die innere Sicherheit müsse europäisch definiert werden, fordern die Grünen. Dazu wollen sie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz ausbauen - "im Sinne eines gemeinsamen europäischen Polizeiteams, eines europäischen Kriminalamtes und wirklicher europäischer Staatsanwaltschaften".

Die Grünen fordern eine europäische Industriepolitik

Für notwendig halten die Grünen außerdem eine nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichtete europäische Industriepolitik, mit deren Hilfe Innovationen gefördert und öffentliche Institutionen gestärkt werden sollen. Mehr Europa fordern sie außerdem im Sozialen. "Die Währungsunion soll um einen sozialen Binnenmarkt erweitert werden", schreiben sie. Das einseitige Sparen nach der Bankenkrise habe dem Populismus direkten Auftrieb gegeben. Um eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa zu verwirklichen, sei es auch notwendig, "dass wohlhabende und starke Länder, allen voran Deutschland, bereit sind, einen größeren Beitrag zur europäischen Einheit zu leisten". Von einer insgesamt prosperierenden EU werde gerade Deutschland auf längere Sicht profitieren.

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