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Politik: Neues PDS-Programm: Bis zum linken Rand der SPD

Am Ende bedankt sich die Vorsitzende beim "Autorenkollektiv". "Nein, Autorenteam heißt das ja heute", verbessert sich Gabi Zimmer selbst.

Am Ende bedankt sich die Vorsitzende beim "Autorenkollektiv". "Nein, Autorenteam heißt das ja heute", verbessert sich Gabi Zimmer selbst. Ein sprachlicher Rückfall in DDR-Zeiten, der so gar nicht geeignet ist für die Vorstellung eines Programmentwurfs, mit dem die PDS eigentlich ein Stück weiter in die bundesrepublikanische Gegenwart gelangen möchte. Wie das gehen soll steht auf 41 Seiten, verfasst von Dieter Klein, den Brüdern Andre und Michael Brie und Gabi Zimmer selbst. Es handele sich hierbei um eine Überarbeitung des Parteiprogramms von 1993, nicht um eine Neufassung, betont Zimmer. Erst nach der Bundestagswahl 2002 soll ein Parteitag über den Entwurf abstimmen. Vorher sollen die Sozialisten diskutieren und sich dabei über einiges klar werden.

Wie hält es die PDS künftig mit Marx? Ein Gespenst ging um in der Presse: Im Entwurf befinde sich der Satz, dass Unternehmertum und betriebswirtschaftliches Gewinninteresse wichtige Bedingungen von Innovation und Effizienz seien. Jetzt steht er schwarz auf weiß im Entwurf, ist kein Gespenst mehr. Man müsse aber nur einen Satz weiterlesen, und die Aussage erscheine in anderem Licht, sagt Andre Brie. Dort steht, die "heutige gesamtgesellschaftliche Dominanz von Profit" sei weder mit den Vorstellungen der Partei von Gerechtigkeit noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Im Vergleich zum Programm von 1993 sei das sozialistische Profil der PDS nun eindeutig gestärkt. Dennoch betont Brie den "pragmatischen Ansatz" für eine moderne linke Politik. "Für uns gibt es nichts Langweiligeres als die Suche nach der reinen Lehre."

Dass viele Parteimitglieder da anderer Meinung sind, wird schon am Freitag im Karl-Liebknecht-Haus deutlich. Während Zimmer vorne ihre Erklärung abgibt, hat Sarah Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform in der letzten Reihe zwischen den Journalisten Platz genommen. Immer wieder kommentiert sie den Vortrag mit einem verächtlichen Lachen oder durch lautstarkes Grummeln. Im Anschluss lässt sie keine Kamera aus, um ihre Meinung auch noch mit Worten kundzutun: Der Entwurf sei eine Vorleistung für spätere Regierungen mit der SPD, schimpft Wagenknecht. Es müsse alles getan werden, damit er nie zum PDS-Programm werde. Dagegen versichert Zimmer an diesem Freitag, das neue Programm sei nicht aus strategischen Überlegungen der Parteiführung erwachsen. "Es geht uns nicht um eine Verbeugung vor den Sozialdemokraten." Dennoch würde Zimmer die PDS gerne für den "linken Rand der SPD" öffnen und erhofft sich dort eine breite Resonanz. Zu möglichen Koalitionen heißt es im Programm schlicht, die PDS sei in der Lage, "politische Verantwortung in parlamentarischer Opposition ebenso wie in Regierungsbeteiligungen zu übernehmen".

Spannend ist vor allem das Kapitel über die "Selbstveränderung der PDS". Darin ist die Rede von der eigenen Verantwortung "für das Scheitern des Sozialismusversuchs in der DDR, für seinen undemokratischen und nichtemanzipatorischen Charakter". Allerdings dürfe der frühere Einsatz vieler Menschen für ein anderes Deutschland nicht missachtet werden. Zur DDR gehörten laut Entwurf auch "wertvolle Ergebnisse und Erfahrungen", etwa im Kampf um soziale Gerechtigkeit. Insgesamt aber sei es eine "bittere Erkenntnis" für die Partei, dass viele zu DDR-Zeiten "Strukturen der Unterdrückung" mitgetragen und "Verfolgung Andersdenkender" zugelassen hätten. In Anspielung auf die derzeitige Entschuldigungs-Euphorie der Sozialisten - erst für die Zwangsvereinigung von KPD und SPD, bald für den Mauerbau - will Mitautor Michael Brie jedoch eines unbedingt klarstellen: "Wir entschuldigen uns nicht für den Programmentwurf", steht auf einem Schild, das er aus der Tasche zieht.

Markus Feldenkirchen

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