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In langen Schlangen standen die Besucher am Wochenende vor dem neuen Landtag im Stadtschloss Potsdam. Im Hintergrund ist das Fortunaportal zu sehen. Bis Sonntagabend hatten rund20 000 Menschen Gelegenheit, den Parlamentsbau im historischen Gewand des alten Preußischen Stadtschlosses bei Tagen der Offenen Tür zu besichtigen.Die erste reguläre Sitzung des Landtags findet am 22. Januar statt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Neues Stadtschloss: Nicht alle Potsdamer freuen sich über die Historisierung ihrer Stadt

Den Potsdamer Schlosserfolg den ungelösten Problemen beim Berliner Pendant gegenüberzustellen, greift zu kurz. Denn gegen den architektonischen Schritt zurück gibt es in Potsdam auch Widerstand. Man sollte das aber nicht mit Ostalgie verwechseln.

So macht man das also: Offenheit für bürgerschaftliches Engagement, Entschiedenheit bei der Stadtgestaltung und Pragmatismus, wenn es darum geht, die architektonische Form mit Inhalt zu füllen. So baut man Schlösser, siehe Potsdam. Der wohlhabende Fernsehmann Günther Jauch spendierte vor Jahren das Fortuna-Portal und legte damit den Grundstein für die Schlossrekonstruktion. Landes- und Stadtpolitik bekannten sich mit einem Mut, der im strukturell eher roten Brandenburg erstaunte, dazu, das Schloss zum neuen Landtag zu machen. Und nun ist Potsdam so weit: An diesem Wochenende wird das Haus eröffnet, das Volk ist in seiner Vertretung willkommen. Von Bürgern, die der Stadt Geld schenken, ist beim Berliner Stadtschloss so wenig zu sehen wie von einer einleuchtenden, gut zu transportierenden Füllung des Gebäudes mit Inhalt. Das Humboldt-Forum wächst in die Höhe – von einem Gewinn an Sympathie und Zustimmung kann man in Berlin allerdings nicht sprechen. Trotzdem wäre es falsch, aus dem sich abzeichnenden Potsdamer Schlosserfolg auf noch zu erfüllende Berliner Notwendigkeiten zu schließen.

Ganz so unkompliziert oder klischeehaft klar sind die Dinge in Potsdam nicht. Längst nicht alle Bürger der Landeshauptstadt freuen sich über die Historisierung ihrer Mitte, die langsam, aber sicher über das hinweggeht, was Potsdam zu DDR- Zeiten war. Hasso Plattner, Software-Unternehmer und Mäzen Potsdams seit vielen Jahren, hat das zu spüren bekommen. Er wollte der Stadt eine Kunsthalle mit Sammlung überlassen, prominent platziert gegenüber vom Schloss, genau dort, wo das Plattenbauhotel Mercure in den Himmel ragt. Sehr lautstarker Protest hat ihn schnell davon abgebracht. Es ist eben nur ein Teil der Potsdamer Gesellschaft, der behauptet, mit dem Abriss dessen, was von der DDR übrig ist, sei nichts verloren – des Fachhochschulplattenbaus so wenig wie der günstigen Wohnungen am Alten Markt. Denn das ist Stadt auch: Stein oder Beton gewordene Geschichte in Kapiteln und mit Bewohnern, die diese Kapitel erlebt haben. Ein anderer Teil der Potsdamer hat in und mit der DDR-Bezirkshauptstadt gelebt und verbindet etwas damit, das mit Ostalgie falsch beschrieben wäre. Ob diese Bürger sich mit dem Landtag im Schloss identifizieren wollen? Bürgerlich in altmodisch-konservativem Sinn ist Potsdam allein in der gediegenen Berliner Vorstadt. Ein anderes Potsdam, ostdeutsch-kleinbürgerlich, lebt südlich der Havel; ein drittes Potsdam stellen 15 Prozent Studenten, die in den vergangenen Jahren eine Menge dazu beigetragen haben, dass die alte Innenstadt nicht bloß hübsch ist, sondern ein bisschen krude, kantig und wild. Dazu kommt das Potsdam der Familienmenschen mit Kindern und Hausbau-Ambitionen, zugezogen aus dem Westen oder aus Berlin, angetan von einer übersichtlichen, teils sehr schönen, sehr grünen, spröde freundlichen Stadt. Wohnungsmangel, Gentrifizierung, Ärger über städtische Infrastruktur – das kennen die Potsdamer genauso wie die Berliner, nur in einer anderen Dimension. Die Schlosseröffnung wird nun wohl einen Trend verschärfen, der in Berlin-Mitte bereits zu sehen ist. Wie magnetisiert bewegen sich Touristenströme zu den Sehenswürdigkeiten. Manchem Stadtbewohner ist es an einem solchen Ort längst zu voll geworden.

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