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Merkel

© dpa

Neujahrsansprache: Merkel fordert "Kultur des Hinsehens"

Angesichts der erschütternden Fälle getöteter und misshandelter Kinder in Deutschland fordert Angela Merkel Staat und Bürger zu mehr Wachsamkeit auf. In ihrer vorab veröffentlichten Neujahrsansprache warnt die Kanzlerin zudem vor einer Reformpause.

Wir dokumentieren Auszüge aus der Rede:

„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein arbeitsreiches Jahr liegt hinter uns. Ein Jahr, in dem Deutschland alles in allem einen guten Schritt nach vorne getan hat. Vorneweg beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit: Eine Million weniger Arbeitslose, eine Million mehr Erwerbstätige – wer hätte diese Entwicklung vor zwei Jahren für möglich gehalten?! Auch die Sanierung der Staatsfinanzen geht voran. Erstmals seit der Wiedervereinigung ist ein ausgeglichener Haushalt nicht mehr irgendein Wunschtraum; nein, er ist tatsächlich in Reichweite. Und nicht zuletzt die Lage bei Forschung und Innovation, Bildung und Ausbildung – auch hier geht es aufwärts. So werden wir in diesem Jahr jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz oder eine Qualifizierungsmaßnahme anbieten können. (...)

In Deutschland geht es spürbar aufwärts. Unser Land setzt neue Kräfte frei. Und damit knüpft es an alte Stärken an. (...) Wir dürfen uns trotz aller Erfolge keinesfalls zurücklehnen. Zu groß sind die Risiken für unsere Konjunktur und unser Wirtschaftswachstum, insbesondere durch weltweite Einflüsse. Zu verständlich sind auch die Sorgen, die sich viele von Ihnen zum Beispiel wegen der hohen Preise bei Energie und Lebensmitteln machen. Und zu mahnend sind die noch immer 3,5 Millionen Arbeitslosen in unserem Land. Mein Ziel ist und bleibt deshalb unverändert, die Arbeitslosigkeit weiter zu bekämpfen. Das heißt, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und Voraussetzungen zu schaffen, damit neue entstehen können. Das, und nur das, ist auch in Zukunft der Maßstab unseres Handelns. Ihm müssen alle Maßnahmen, die wir politisch in Angriff nehmen, dienen – sei es die Reform der Erbschaftssteuer, seien es tarifliche Lohnuntergrenzen, sei es die Höhe der Lohnzusatzkosten oder eine wirkungsvolle Schuldenbremse für zukünftige Zeiten. (...)

Die Familien sind wieder dahin gerückt, wohin sie gehören: in den Mittelpunkt. Deswegen beginnen wir im kommenden Jahr mit dem verstärkten Ausbau der Kinderbetreuung für unter 3-Jährige. Und deswegen freue ich mich auch, dass das neue Elterngeld von so vielen Müttern und gerade auch Vätern angenommen wird.

Ich weiß: Manche Tage des vergangenen Jahres hätten wir lieber nicht erlebt. Wir alle denken mit Schrecken an die Nachrichten von Kindesmisshandlung, Verwahrlosung und Todesfällen. Wahr ist: Die allermeisten Mütter und Väter kümmern sich aufopferungsvoll um ihre Kinder. Aber wahr ist auch: Jeder einzelne Fall von Kindesmisshandlung ist und bleibt einer zu viel. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, nicht des Wegschauens. Das heißt konkret: Da, wo Eltern ganz eindeutig mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, muss der Staat sich einmischen, denn am Ende geht es einzig und allein um das Wohl des Kindes. Dies wollen wir durch zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen und durch gestärkte Möglichkeiten der Familiengerichte erreichen, wenn es um Entscheidungen zum Sorgerecht geht. (...)

Andere Länder sehen übrigens sehr genau hin, was sich in Deutschland tut. Man sieht unsere Möglichkeiten und unsere gestiegene wirtschaftliche Leistungskraft. Und man beobachtet genau, wie wir unsere wirtschaftlichen Interessen und politischen Ziele weltweit gleichermaßen konsequent wie wertebezogen vertreten. (...) Deutschland ist auf gutem Weg, wieder das Land der Lebenschancen für jeden werden zu können. Deutschland kann seine alte Kraft als das Land des solidarischen Zusammenhalts auch in der globalen Welt wieder neu unter Beweis stellen. Die Kraft des Zusammenhalts der Starken und Schwachen, des Unternehmers und seiner Mitarbeiter, der Alten und Jungen, von Ost und West. (...) Tsp

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