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Neuverschuldung: Steinbrück: Vollmundige Versprechungen sind waghalsig

Der Finanzminister nennt den Anstieg der Neuverschuldung unumgänglich. Unterdessen hat die Regierung den Etatentwurf 2010 verabschiedet.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat den dramatischen Anstieg der Neuverschuldung des Bundes in diesem und im nächsten Jahr als unumgänglich verteidigt. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent im laufenden Jahr sei „nicht nur ein quantitativer Sprung, sondern auch ein qualitativer“, sagte Steinbrück am Mittwoch in Berlin nach dem Kabinettsbeschluss zum Haushaltsentwurf 2010. Das ganze Ausmaß der Krise sei im Bewusstsein offensichtlich „bei einigen noch nicht angekommen“.

Als Folge der Krise wird die Neuverschuldung des Bundes im kommenden Jahr auf 86,1 Milliarden Euro ansteigen. Einschließlich zusätzlicher Belastungen aus Nebenhaushalten, die zur Rettung der Banken und für Konjunkturprogramme eröffnet wurden, könnte die Nettokreditaufnahme 2010 sogar mehr als 100 Milliarden Euro betragen.

Deutliche Kritik äußerte Steinbrück angesichts der Haushaltslage an den Versprechen von Union und FDP, nach der Bundestagswahl die Steuern in erheblichem Umfang zu senken. „Vor diesem Hintergrund vollmundige Steuersenkungsversprechen abzugeben, ist sehr waghalsig“, sagte er.

Allerdings weigerte sich Steinbrück, Auskunft darüber zu geben, wie er oder wie seine Partei die milliardenschwere Lücke im Haushalt in den kommenden Jahren füllen will. „Es wird von mir mit Blick auf Steuersenkungen keinerlei Versprechen geben.“ Klar sei jedoch, dass jede Koalition, die nach der Bundestagswahl im September gebildet wird, in der nächsten Legislaturperiode eine zweistellige Milliardensumme sparen müsse. Zweifel schürte Steinbrück, was eine abermalige Erhöhung der Mehrwertsteuer angeht. Dieses Thema sei den Wählern seit den Erfahrungen aus dem Jahr 2005 „höchst verdächtig“, und die damalige Erhöhung des Steuersatzes von 16 auf 19 Prozent habe viel Vertrauen gekostet, sagte er. Die Politiker der großen Koalition seien insofern „gebrannte Kinder“.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank- Walter Steinmeier kritisierte die Steuersenkungs-Ankündigungen der Union in ihrem Wahlprogramm, er bezeichnete sie als „Irrsinn“. Angesichts von massiv wegbrechenden Steuereinnahmen seien solche Versprechen nichts wert, sagte er am Mittwoch auf einer kommunalpolitischen SPD-Konferenz in Berlin. Wer jetzt dem Bund Steuereinnahmen wieder wegnehmen wolle, sei unglaubwürdig.

Das Bundeskabinett verabschiedete den Etatentwurf 2010 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2013. Wie in jedem Jahr geht nun der Entwurf an das Parlament über. Weil dieses in diesem Herbst jedoch neu gewählt wird, werden die von Herbst an regierenden Parteien den finanzpolitischen Kurs neu abstecken und einen neuen Entwurf vorlegen, der dann im Winter vom neuen Bundestag debattiert und verabschiedet werden muss.

Die EU-Kommission rechnet damit, dass das deutsche Defizit bereits in diesem Jahr auf 3,9 Prozent steigen wird. Im kommenden Jahr rechnet sie sogar mit einer Neuverschuldung von 5,9 Prozent des BIP. Ursprünglich hatten die EU-Staaten geplant, die Neuverschuldung in den kommenden Jahren auf null zu senken. Ein solches Ziel ist wegen der Krise allerdings weit verschoben worden. mit dpa

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