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Neuwahlen: Hintergrund: Die Unions-Wahlkampflinie

Nach vier Wochen zeichnen sich in Verhandlungen zwischen CDU und CSU über ein gemeinsames Wahlprogramm erste Ergebnisse ab. Aber vieles muss bis zur Vorlage am 11. Juli noch geklärt werden. Der Anspruch der Kanzlerkandidatin Angela Merkel ist, ein "ehrliches Programm" vorzulegen. Ein Zwischenstand:

Kündigungsschutz:

CDU und CSU sind sich seit langem im Grundsatz einig, den Kündigungsschutz zu lockern, um Neueinstellungen zu fördern. Der Kündigungsschutz soll erst in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten. Für die bereits Beschäftigten bleibt bei der alten Rechtslage. Außerdem soll nach Beschluss des Düsseldorfer CDU- Parteitags im Dezember 2004 der Arbeitgeber mit dem neuen Beschäftigten vereinbaren können, auf den Kündigungsschutz zu Gunsten einer fest vereinbarten Abfindungsreglung zu verzichten.

Das geht über den gemeinsamen Beschluss von CDU und CSU vom März 2004 hinaus, der nur Abfindungs-Abmachungen mit Blick auf ältere Arbeitnehmer vorsah. Dem Vernehmen nach gibt es hier aber keine Schwierigkeiten zwischen CDU und CSU.

Betriebliche Bündnisse: Klare Beschlusslage ist in der Union hingegen die rechtliche Absicherung von so genannten betrieblichen Bündnissen für Arbeit. Zur Sicherung von Beschäftigung sollen in Unternehmen Abweichungen vom Tarifvertrag möglich werden, wenn Betriebsrat und Belegschaft mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Die Abweichung soll jeweils nur für die Dauer des laufenden Tarifvertrags gelten.

Arbeitslosenversicherung: Als weitere Sofortmaßnahme nach einem Wahlsieg will die Union die Arbeitslosenversicherung reformieren. Zunächst sollen die Beiträge von 6,5 auf 5 Prozent sinken, um die Arbeitskosten zu senken. Kosten: 11 Milliarden Euro. Dies lässt sich nur finanzieren, wenn massiv die besonders im Osten wichtige Förderung des zweiten Arbeitsmarkts zusammengestrichen wird. Davor warnen trotz der eindeutigen Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die ostdeutschen Ministerpräsidenten. Die Programmverfasser werden an der Senkung festhalten, aber ein «Zückerchen» für die neuen Länder hineinschreiben, ist zu hören.

Außerdem wird in der Union an eine Besserstellung von Arbeitslosen gedacht, die über 40 Jahre Beiträge gezahlt haben. Nach dem Beschluss des Düsseldorfer Parteitags von 2004 soll dieser Personenkreis 24 Monate das am früheren Lohn bemessene Arbeitslosengeld I erhalten. Kosten sind noch unklar. Ein konkretes Versprechen wird daher - wie vieles - unter dem Vorbehalt des Kassensturzes stehen.

Hartz-Gesetze: Das umstrittene Hartz IV-Gesetz wird die Union nicht antasten - mit einer wahrscheinlichen Ausnahme: Voraussichtlich werden CDU und CSU ankündigen, dass die Kommunen in der Regel allein für die Umsetzung zuständig sein sollen. Andere Maßnahmen aus der Hartz-Gesetzgebung wie etwa der Job-Floater sollen gestrichen werden, weil sie viel gekostet, aber wenig gebracht hätten.

Niedriglohnbereich: Um mehr Geringqualifizierte in Beschäftigung zu bringen, ist die CDU schon seit langem dafür, dass der Staat Lohnzuschüsse zahlt. Aber auch hier ist die Frage, ob Merkel und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber angesichts der Haushaltslage mit so einem kostenträchtiges Plan in die Wahl ziehen können. Es wäre aber ein Signal für den Osten. Deshalb wird davon ausgegangen, dass es auch ins Wahlprogramm kommt.

Gesundheit: Nach ihrem Dauerstreit im vergangenen Herbst werden CDU und CSU den Kompromiss für einen Systemwechsel in der gesetzlichen Krankenversicherung hin zu einer Gesundheitsprämie nicht in Frage stellen und ihn ins Wahlprogramm übernehmen. Eine verbindliche Festlegung auf die Höhe der Kopfpauschale ist aber nicht zu erwarten. Grund: Die Entwicklung der Gesundheitskosten bis zur Einführung der Prämie lasse sich nicht vorhersagen.

Mehrwertsteuer: Um die Kosten für den Systemwechsel in Höhe von von rund 8 Milliarden Euro aufzubringen, wird nach übereinstimmender Einschätzung von CDU-Spitzenpolitikern «eine Aussage» zu einer Mehrwertsteuererhöhung gemacht werden müssen. Ob diese am Ende auf 18 oder 19 Prozent heraufgesetzt wird, könnte aber offen gelassen werden. Ein Prozentpunkt höhere Mehrwertsteuer bringt rund acht Milliarden Euro mehr in die Staatskassen.

Steuern: Wegen der leeren Kassen hat sich die Unions-Spitze von den Ziel verabschiedet, unmittelbar nach der Wahl die Einkommensteuer zu senken. Eine Tarifsenkung könnte aber als eine «Verheißung» für das Ende der Legislaturperiode in Aussicht gestellt werden. Allerdings gibt es jetzt auch die Warnung, dass dies der SPD in die Hände spielen könne, die versucht, mit einer «Millionärssteuer» auf Stimmenfang zu gehen.

Rasch soll es dagegen eine Steuervereinfachung geben. Auch bei einer Steuervereinfachung wird es aber Gewinner und Verlierer geben, weil Steuervergünstigungen gestrichen werden müssen. Da zeichnet sich noch keine einheitliche Linie ab. Möglicherweise wird auf Einzelheiten gar nicht eingegangen.

Falls die Programmverfasser hier doch Farbe bekennen, ist wahrscheinlich, dass die Entfernungspauschale in geänderter Form erhalten bleibt, die Steuerfreiheit für Feiertags- und Nachtzuschläge aber abgebaut wird, wie es in der Unionsspitze heißt. Diese Richtung haben CDU und CSU bereits im März 2004 eingeschlagen.

Die Unions-Spitze muss weiterhin wenigstens auch Konturen einer Unternehmensteuerreform nennen. Merkel hat dies vor kurzem als schwierige Aufgabe bezeichnet, da der Steuersatz für die Kapitalgesellschaften in jedem Fall gesenkt werden muss, um den Standort Deutschland attraktiv zu machen. Der Körperschaftssteuersatz darf aber wiederum aber nicht so niedrig ausfallen, dass die kleinen Unternehmer, die Einkommensteuer zahlen, gegenüber den Großen benachteiligt werden. Hier ist die Diskussion noch im Gange.

Rente: In diesem Punkt gibt es keine gemeinsame Beschlusslage von CDU und CSU. Die CDU hatte sich 2003 darauf festgelegt, das gegenwärtige umlagefinanzierte System grundsätzlich beizubehalten. Eine abschlagsfreie Rente soll es wegen der Altersentwicklung erst nach 45 Beitragsjahren oder dem 67. Lebensjahr geben. Im letzten Moment wurde mit in den Leitantrag die Forderung aufgenommen, den Beitrag von Erziehenden um 50 Euro im Monat zu entlasten, was aber durch Steuern finanziert werden soll. Die CSU favorisiert einen Ausgleich im System. Als eher unwahrscheinlich gilt, dass dies so detailliert ins Wahlprogramm aufgenommen wird. Die Zahl 67 werden die Bürger vermutlich vergeblich suchen.

Pflege: Hier will die CDU sofort auf ein kapitalgedecktes System umsteigen, was in der CSU eher skeptisch gesehen wird.

Familie: Hier will vor allem die CDU moderner auftreten. Eine Kommission, die unter anderem von Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen geleitet wird, will vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker in den Mittelpunkt stellen.

Außenpolitik und Verteidigung: Hier liegen CDU und CSU auf einer Linie. In der Außenpolitik wird sich die Union von der eher USA-skeptischen Haltung von Rot-Grün absetzen und vor allem einen EU-Beitritt der Türkei ablehnen. Die Wehrpflicht wollen beide erhalten.

Innenpolitik: Auch hier stimmen beide überein - ganz nach dem Motto: Ein starker Staat wird es schon richten. (tso)

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