zum Hauptinhalt
Nicht amüsiert: Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, scheiterte bei der Regierungsbildung.

© Gali Tibbon/Pool AFP/AP/dpa

Neuwahlen in Israel: In vielerlei Hinsicht ein Dilemma für Netanjahu

Es ist fraglich, ob sich der Premier im Amt halten kann – die Wahlen gefährden den Friedensplan seines Verbündeten Donald Trump.

Keiner hatte es gewollt, am Ende ist es doch so gekommen: Israels Parlament stimmte am späten Mittwochabend für Neuwahlen, nachdem Premier Benjamin Netanjahu mit der Regierungsbildung gescheitert war. Ihm gelang es nicht, einen Kompromiss in Sachen Wehrpflicht für Ultraorthodoxe zwischen Avigdor Lieberman, Chef der Partei Unser Haus Israel, und den ultraorthodoxen Parteien zu erzielen. Trotz tagelangen Ringens, trotz Drohungen und Versprechungen hielt Lieberman an seiner Forderung fest, dass auch Ultraorthodoxe zum Wehrdienst heranzuziehen sind.

Viele Israelis sind über die Neuwahlen empört, fühlen sich von den Politikern im Stich gelassen. Die verließen in der Nacht zum Donnerstag teilweise selbst verärgert die Knesset. Schließlich werden Neuwahlen laut Finanzministerium umgerechnet mehr als 117 Millionen Euro kosten und das Land für ein weiteres halbes Jahr politisch lahmlegen.

Netanjahu droht jetzt eine Anklage

Selbst dem Premier kommen die Wahlen ungelegen. Netanjahu steht dadurch in mehrerlei Hinsicht vor einem Dilemma: Zum einen ist nicht klar, ob sich im September überhaupt ein anderes Stimmenverhältnis ergibt. Zudem wird es nun eng für sein geplantes Immunitätsgesetz, womit er einer Anklage entgehen wollte. Netanjahu wird Bestechlichkeit, Betrug und Untreue in drei Fällen vorgeworfen. Für Anfang Oktober ist die Anhörung geplant, die für eine Anklageerhebung nötig ist.

Und noch ein anderer dürfte ganz und gar keinen Gefallen an den Neuwahlen finden: US-Präsident Donald Trump, der seinen Friedensplan in diesem Jahr endlich vorantreiben wollte – und dabei auf die Unterstützung Netanjahus gesetzt hat. Bei einer Konferenz in Bahrain soll im Juni der erste Teil des „Jahrhundert-Deals“ vorgestellt werden. Ob das Treffen nun wie geplant stattfindet, ist fraglich. Ebenso ist unsicher, ob Netanjahu sich im Amt halten kann.

Netanjahu traf sich am Donnerstag mit Jared Kushner

Nach einem Treffen mit Trump-Schwiegersohn und Präsidentenberater Jared Kushner in seiner Residenz sagte Netanjahu am Donnerstagnachmittag mit Verweis auf die Parlamentsabstimmung, selbst „das kleine Ereignis in der vergangenen Nacht“ werde die Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel nicht aufhalten.

Von Kushners Friedensplan sind bisher nur wenige Details bekannt. Kushner spricht seit Monaten von „neuen Ideen“, die in seine Initiative einfließen sollten, da die bisherige Herangehensweise nur in eine Sackgasse geführt habe. In seinem Plan soll nicht mehr von einer Zweistaatenlösung die Rede sein. Trump bedauerte unterdessen die Ankündigung von Neuwahlen in Israel. „Sie sind zurück auf der Wahlkampfbühne. Das ist zu schade.“

Bedeuten die Neuwahlen nun das Ende des Jahrhundert-Deals? Auf palästinensischer Seite ist die Hoffnung groß: Die Palästinenser lehnen die USA seit dem Umzug von deren Botschaft nach Jerusalem als Vermittler ab und haben bereits angekündigt, dem Friedensplan nicht zuzustimmen. Chefunterhändler Saeb Erekat schrieb nach der Knesset-Abstimmung auf Twitter zynisch vom „Deal für das nächste Jahrhundert“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false