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Wie geht's weiter? Sylvia Löhrmann (links) von den Grünen und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) müssen in Neuwahlen gehen.

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Neuwahlen in NRW: Rot-Grün schöpft Hoffnung aus dem Scheitern

Der nordrhein-westfälische Landtag beschließt Auflösung und Neuwahlen. Für die CDU wird Röttgen kandidieren. Aber wer für die untergangsbedrohte FDP?

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Knapp anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl wird nun in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, das Parlament vorzeitig neu gewählt. Der Landtag beschloss am Mittwoch einstimmig die eigene Auflösung. Damit muss es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen geben, weshalb die Wahl entweder am 6.Mai – parallel zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein – oder eine Woche später am 13. Mai stattfinden wird. Dieser Schritt wurde notwendig, nachdem die Opposition am Mittwochmittag geschlossen gegen den Einzeletat Inneres des Haushaltsentwurfs der rot-grünen Minderheitsregierung gestimmt hatte. Laut Rechtsgutachten war damit der gesamte Etatentwurf hinfällig. Für diesen Fall hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Vorfeld Neuwahlen angekündigt. Damit kommt es 2012 nach den Wahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein zur dritten Landtagswahl in diesem Jahr.

Diese Entwicklung wird auch für die Bundespolitik möglicherweise nicht ohne Folgen bleiben. Denn mindestens ein, eventuell sogar zwei Kabinettsmitglieder werden aktiv in den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eingreifen. Für die CDU wird Bundesumweltminister Norbert Röttgen als Spitzenkandidat in die Neuwahl gehen. „Ich führe die Partei in die Wahl, und ich führe sie in die Wahl, um stärkste Partei und Ministerpräsident zu werden.“ Unklar ist allerdings, ob Röttgen auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf wechseln wird. Wolfgang Bosbach, Bundestagsabgeordneter der CDU aus Nordrhein-Westfalen, betont zwar, dass dies allein Röttgens Entscheidung sei. Aber: „Er hat sich jetzt mit der Spitzenkandidatur und auch zuvor mit dem Landesvorsitz schon mal für Nordrhein-Westfalen entschieden.“

SPD und Grüne haben Röttgen zu einer raschen Entscheidung über seinen Verbleib im Kabinett aufgefordert. Röttgen müsse „jetzt entscheiden“, ob er als CDU-Spitzenkandidat bei Neuwahlen dauerhaft in Nordrhein-Westfalen bleiben wolle oder seine Zukunft weiter im Bundeskabinett sehe, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir in Berlin. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte Röttgen auf, sein Ministeramt zunächst ruhen zu lassen: „Wir wollen nicht, dass Missbrauch aus dem Ministeramt betrieben wird.“

Und auch bei der FDP könnte ein Kabinettsmitglied die Spitzenkandidatur übernehmen. So geht die nordrhein-westfälische FDP davon aus, dass ihr Landesvorsitzender und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr seine Partei in den anstehenden Landtagswahlkampf führen wird. Dass Bahr als Spitzenkandidat nach Düsseldorf kommt, „wäre für die Chancen der FDP in Nordrhein-Westfalen sehr wichtig“, sagte der nordrhein- westfälische Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Bahr selbst hat sich noch nicht dazu geäußert. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte aber: „Ich kann Ihnen von keinen Ressortumbesetzungs-Vorstellungen oder -Plänen der Bundeskanzlerin berichten.“ Merkel selbst sieht durch die Landtagswahl ihre Politik nicht beeinflusst. „Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von der Arbeit in den Ländern“, sagte die CDU-Chefin.

Die Ausgangslage vor der Neuwahl im Mai ist offen. CDU und SPD liegen Umfragen zufolge gleichauf bei 35 Prozent. Die Grünen können laut der vom WDR erhobenen Umfrage mit 17 Prozent der Stimmen rechnen. Linkspartei und FDP haben kaum Chancen auf den Wiedereinzug in den Landtag. Die Linke kann mit drei und die Liberalen sogar nur mit zwei Prozent rechnen. Dagegen kann die Piratenpartei auf einen Einzug ins Parlament hoffen.

SPD und Grüne geben sich optimistisch, das Regierungsbündnis nach der Wahl mit einer eigenen Mehrheit fortsetzen zu können. Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Renate Künast sagte dem Tagesspiegel, selten sei eine Regierung so gestärkt aus einer Abstimmungsniederlage herausgegangen. "CDU und FDP haben sich in eine Neuwahl gestolpert, die Regierung Kraft und Löhrmann kann selbstbewusst vor die Wählerinnen und Wähler treten."

Die CDU sieht dagegen Rot-Grün gescheitert und macht dafür auch die Bundes-SPD verantwortlich. Das sei auch eine "Ohrfeige" für SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin. Die Bundes-SPD habe die „rot-grüne Wackelregierung“ in Düsseldorf maßgeblich vorangetrieben, sagte Gröhe. "Es war von Anfang an verantwortungslos, das bevölkerungsreichste Bundesland ohne parlamentarische Mehrheit
regieren zu wollen." Dieses Experiment sei grandios gescheitert.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, betonte nach dem Scheitern der Regierung in Nordrhein-Westfalen, dass ihre Partei Rot-Grün gern unter den Bedingungen eines sozial gerechten Haushalts unterstützt hätte. "SPD und Grüne haben die Chance auf einen Politikwechsel verspielt", sagte die Politikerin, die 2009 auf der Liste der NRW-Linken in den Bundestag gewählt wurde, dem Tagesspiegel. "Die Linke hätte einen sozial gerechten Haushalt für Nordrhein-Westfalen unterstützt. Leider hat die rot-grüne Regierung all unsere Vorschläge abgelehnt und lieber mit der FDP gepokert - und sich dabei gehörig verzockt." Ohne den Druck der Linkspartei hätte es in Nordrhein-Westfalen schon längst massive Sozialkürzungen gegeben, fügte Wagenknecht hinzu. "Auch in Zukunft werden wir keine Regierung mittragen, die Sozialabbau betreibt statt sich mit uns für ein Sozialticket oder eine Millionärssteuer einzusetzen."

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