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Der Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) hat sich mit seinem Gesetzentwurf zur Sterbehilfe durchgesetzt.

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Newsblog zur Sterbehilfe-Entscheidung: Verein Sterbehilfe kündigt Verfassungsbeschwerde an

Der Bundestag hat sich in zweiter Lesung für ein Verbot von Sterbehilfe-Organisationen ausgesprochen. Damit entschieden sich die Parlamentarier für den Entwurf der "eingeschränkten Straflosigkeit" der Abgeordneten Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU). Lesen Sie in unserem Newsblog die wichtigsten Beiträge zur Debatte.

Nach fast eineinhalb Jahren Diskussion über die passive Sterbehilfe hat der Bundestag am Freitag eine Entscheidung gefällt. Vier Gesetzesentwürfe standen zur Debatte, ein fünfter Antrag der früheren Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) plädierte dafür, alles zu belassen wie bisher. Einen genauen Überblick wie und worüber abgestimmt wurde, finden Sie hier.

Der Verein Sterbehilfe kündigt Verfassungsbeschwerde an. Nach dem Beschluss des Bundestages zum Verbot organisierter Sterbehilfe hat der Verein Sterbehilfe Deutschland eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. „Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden wir Verfassungsbeschwerde erheben“, sagte Marie-Claire Stellmann, Leiterin der Geschäftsstelle des Vereins, dem Evangelischen Pressedienst am Freitag. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, werde der Verein keine Suizidbegleitung mehr anbieten: „Wir werden gesetzestreu handeln.“ Vorsitzender von Sterbehilfe Deutschland ist der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch.

So wird der neue Passus im Sterbehilfe-Paragraf lauten: Der Bundestag hat am Freitag ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe beschlossen. Der entsprechende Paragraf, der vor allem auf die umstrittenen Sterbehilfe-Vereine zielt, wird im Strafgesetzbuch eingefügt. Hinter dem Paragrafen, der die Tötung auf Verlangen verbietet, findet sich künftig unter Nummer 2017 folgender Passus: „Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. (1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“

Griese-Brand-Gesetzentwurf erhält Mehrheit im ersten Durchgang. Der Bundestag hat sich mehrheitlich für ein Verbot von Sterbehilfe-Organisationen ausgesprochen. Bereits im ersten Durchgang stimmten mehr Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag als für alle anderen Anträge zusammen. Der Entwurf von Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU) stellt die auf Wiederholung angelegte Hilfe bei der Selbsttötung unter Strafe. Der Antrag wurde damit angenommen.

Bundestag schließt die Sterbehilfe-Debatte nach drei Stunden. Eine Mehrzahl der Redner hat sich in der Debatte für den Gesetzentwurf Brand-Griese "eingeschränkte Straflosigkeit" ausgesprochen. Kritiker des Antrags haben unter anderem moniert, dass der darin enthaltene Begriff "geschäftsmäßig" auch Ärzte, die wiederholt Sterbehilfe leisten, zu einem Fall für die Staatsanwaltschaft machen könnte. Nun steht eine längere Abstimmung an. Zunächst wird über die vier Gesetzentwürfe abgestimmt. Sollte ein Entwurf eine Mehrheit bekommen, wäre er angenommen. Ansonsten wird über die beiden bestplatzierten Anträge abgestimmt. Sollte erneut keine Mehrheit zustande kommen, wird in einem dritten Durchgang über den Antrag mit den meisten Stimmen abgestimmt. Sollten in der letzten Abstimmungsrunde die Nein-Stimmen überwiegen, bleibt es bei der bestehenden Regelung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) stimmt mit weiteren Parlamentariern über den Verfahrensweg der bevorstehenden Abstimmung des Sterbehilfegesetztes ab. Im Bundestag wird am Vormittag ohne Fraktionszwang über vier Gruppenanträge abgestimmt, die unterschiedliche Regelungen zur Sterbehilfe vorsehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) stimmt mit weiteren Parlamentariern über den Verfahrensweg der bevorstehenden Abstimmung des Sterbehilfegesetztes ab. Im Bundestag wird am Vormittag ohne Fraktionszwang über vier Gruppenanträge abgestimmt, die unterschiedliche Regelungen zur Sterbehilfe vorsehen.

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Zwischen Selbstbestimmung und Kommerzialisierung. Die Debatte im Bundestag zeigt: Die Regelung der Sterbebegleitung ist schwierig und kompliziert. Das sagen ein Medizinethiker, ein Kirchenvertreter und der Sterbehilfeverein Dignitas dazu.

Keine Regelung ist auch eine Regelung findet Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Sie plädiert wie die frühere Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) dafür, es bei der bisherigen Gesetzgebung zu belassen. Wenn es so käme, seien die Diskussionen im Bundestag im letzten Jahr nicht sinnlos gewesen, im Gegenteil: "Wir haben ein Stück dazu beigetragen, dass die Themen Tod und Leid enttabuisiert werden." Brigitte Zypries ergänzt, dass die vier Gesetzesentwürfe juristisch nicht verfassungskonform seien. "Wir schaffen mit jeder Regelung mehr Probleme als wir lösen", sagte sie.

Abgeordnete werben für ihre vier Gesetzesentwürfe. Kerstin Griese (SPD) erläutert ihren Gesetzentwurf der "eingeschränkten Straflosigkeit", der im Vorfeld die meiste Unterstützung durch Abgeordnete hatte. "Wir brauchen ein Gesetz, weil es Vereine und Einzelpersonen gibt, die den Suizid geschäftsmäßig anbieten." Allein gegen diese Sterbehilfevereine und Ärzte sei ihr Gesetzesentwurf gerichtet, erläuterte sie. "Der Suizid und die Beihilfe dazu bleiben straffrei", betonte sie. Doch das sieht Peter Hintze (CDU) anders: Er wirbt für eine Legalisierung der Sterbehilfe durch Ärzte.

"Unser Anliegen ist es, dass die Ärzte das Recht auf Gewissensentscheidung, auch wenn es mehrfach vorkommt, behalten." Sein Beitrag ist der bisher emotionalste. "Was wäre das für ein Rechtstaat, der, nur um einen Scharlatan zu erwischen, 1000 verantwortungsvolle Ärzte mit Strafe bedroht", sagt er und warnt, dass die Ärzteschaft sich zurückziehen könnte, wenn der Gesetzentwurf von Kerstin Griese und Michael Brand (CDU) eine Mehrheit erhielte: "Die Patienten würden in ihrer größten Not alleine gelassen."

Auch Renate Künast (Grüne) wehrt sich gegen den Gesetzentwurf, den im Vorfeld eine Mehrheit bevorzugt hatte. Ihr Gesetzentwurf der "weitreichenden Straflosigkeit" will nur eine offensichtlich auf Kommerz ausgerichtete Sterbehilfe verbieten. Bei dem Griese-Brand-Antrag müsse der Arzt faktisch immer Nein sagen, denn "geschäftsmäßig" sei alles, auch wenn kein Geld fließe. "Akzeptieren wir die Selbstbestimmung am Lebensende", sagte Renate Künast. Schließlich warb auch Patrick Sensburg (CDU) für seinen Entwurf eines rigiden Verbots: "Sterbehilfe darf keine Alternative zu Sterbehilfe und Sterbebegleitung sein, daher sprechen wir uns für ein Verbot aus." Veronika Ballmann (CDU) unterstützte ihn: "Suizidbeihilfe ist für uns eine Gefahr für den Lebensschutz". Außerdem sei ihr Entwurf der rechtlich eindeutigste.

Die Begleitung von Menschen auf ihrem letzten Weg war am Freitag Themal im Bundestag.
Die Begleitung von Menschen auf ihrem letzten Weg war am Freitag Themal im Bundestag.

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Bundestag weicht vom üblichen Abstimmungsverfahren ab. Es ist kein einfacher Tag für die Abgeordneten im Bundestag. Das wird schon allein dadurch deutlich, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert fast zehn Minuten benötigt, um den Abgeordneten das komplizierte Verfahren zu erklären, mit dem am Freitag über die Sterbehilfe abgestimmt werden soll. Das namentliche Verfahren wird durch ein Stimmzettel-Verfahren ersetzt, in drei Runden soll über die Gesetzesentwürfe abgestimmt werden. Dabei noch nicht mitgezählt ist die Abstimmung über das Abstimmungsverfahren, mit der die in ungewöhnlich großer Zahl erschienenen Abgeordneten die Sitzung beginnen. Sie stimmen deutlichen Mehrheit zu. (mit epd)

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