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Politik: Nicht alle Wege führen nach Rom

Die Polen legen angesichts der Seligsprechung ihres Landsmannes Johannes Paul II. weniger Begeisterung an den Tag als erwartet

Es ist bereits um die Mittagszeit, doch die Sonderbeilage der führenden polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ lässt sich einfach nicht verkaufen. Nur zehnmal höher wäre der Preis für eine Zeitung mit eingeschweißter Johannes-Paul-II.- Münze. „Mit einem 24-Karat-Goldfilm überzogen“, preist die Werbung. „Verkauft habe ich davon heute erst zwei“, sagt die Warschauer Kioskfrau. Enttäuschung und Überraschung zugleich ist in ihrem Gesicht zu lesen. Seit Wochen schon liegen Dutzende von Sonderdrucken anlässlich der Seligsprechung des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. an diesem Sonntag auf ihrer Auslage. Doch die Münze für umgerechnet fünf Euro will einfach nicht weg.

„Unter dem Motto ’Santo Subito!’ (sofort heilig) haben wir Pilgerreisen in den Vatikan organisiert, auf der unsere Pilger für eine schnelle Seligsprechung des Heiligen Vaters gebetet haben“, warb das Reisebüro „Victoria Travel“ monatelang, „heute können wir deshalb unsere ganze Erfahrung für eine Reise zur Seligsprechung unseres geliebten Papstes einbringen“. Doch nicht nur bei „Victoria Travel“ hielt sich das Interesse an einer Reise zur Seligsprechung nach Rom in Grenzen. Bis Mitte der Woche waren bei den polnischen Pfarreien offiziell 34 000 Pilger angemeldet. Erwartet werden zusammen mit den Individualreisenden im Vatikan an diesem Sonntag rund 80 000 Polen. Noch vor ein paar Monaten hatte man mit mindestens einer Viertelmillion Pilgern aus der Heimat Johannes Pauls II. gerechnet. Eine solche Rom-Fahrt geradezu begünstigen würde der polnische Nationalfeiertag, der das erste Maiwochenende bis zum Dienstag verlängert. Doch die Polen bleiben diesmal zu Hause – ganz anders als beim Begräbnisgottesdienst vor sechs Jahren.

In der Heimat Karol Wojtylas begannen die Feierlichkeiten allerdings schon am Samstag. In vielen polnischen Städten werden zu seinen Ehren Kinder-Picknicks und sportliche Papst-Läufe veranstaltet. An diesem Sonntag werden dann an öffentlichen Plätzen und vor vielen Kirchen Großbildschirme aufgestellt, auf denen die Gläubigen die Direktübertragung aus dem Vatikan gemeinsam im Freien verfolgen können – wie dies auch während der Polen-Reisen von Johannes Paul II. üblich war. „Erinnert euch daran, dass dieser Fernsehgottesdienst nicht als Sonntagskirchgang gilt“, mahnte in der Vorwoche ein Priester in Warschauer Stadtteil Praga. Er forderte seine Kirchgemeinde dazu auf, in der Nacht auf den 1. Mai für Johannes Paul II. in seiner Kirche zu beten. Nach der Seligsprechung soll in Warschau ein echtes Papamobil durch die Straßen kreuzen. In anderen Städten erinnern derweil Multimedia-Shows an die wichtigsten Stationen früherer Papstbesuche – so etwa in Krakau, der einstigen Bischofsstadt von Johannes Paul II., die er besonders gerne besuchte.

Viele Kirchenexperten stellen in diesen Tagen erneut fest, dass sich die Polen die Lehren und Ermahnungen von Johannes Paul II. weniger als zu seinen Lebzeiten zu Herzen nehmen. Die informelle Jugendbewegung „Generation JP2“, die unmittelbar nach seinem Tode erstarkte, ist heute in der Öffentlichkeit kaum mehr sichtbar. Katholische Lehren wie das voreheliche Keuschheitsgebot gelten selbst unter seinen glühendsten jugendlichen Anhängern heute nur noch wenig. Auch nimmt der sonntägliche Kirchenbesuch in Polen seit Jahren ab – besonders unter der Jugend.

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