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Politik: Nicht mehr Stand der Technik

Nach Gutachten der Aufsicht Streit um Notsystem im Akw Brunsbüttel / Umwelthilfe fordert Stilllegung

Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wirft Vattenfall ein „taktisches Verhältnis zur Sicherheit“ beim Atomkraftwerk Brunsbüttel vor. Aus einem internen Gutachten des Kieler Sozialministeriums, das in Schleswig-Holstein die Atomaufsicht führt, geht hervor, dass das Notstromsystem des Akw Brunsbüttel „nicht dem Stand der Technik“ entspricht. Das Gutachten vom November 2006 ist der DUH anonym zugespielt worden. DUH-Geschäftsführer Rainer Baake forderte die zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) auf, Vattenfall durch eine „atomrechtliche Auflage“ zur Stilllegung der Anlage zu zwingen.

Trauernicht hatte vor wenigen Tagen im Sozialausschuss gesagt, es wäre „denkbar und sogar wünschenswert“, dass der stillstehende Reaktor gar nicht wieder angefahren und die Restlaufzeiten auf ein jüngeres Atomkraftwerk übertragen würden. Allerdings gebe es keine Anzeichen, dass der Betreiber „einen solchen Vorstoß“ macht, fügte sie hinzu. Am Dienstag sagte sie, das Notstromsystem stehe einem Weiterbetrieb nicht entgegen.

Das Notstromsystem in Brunsbüttel beschäftigt die Atomaufseher seit Jahren. In Brunsbüttel gibt es zwei Dieselaggregate, die zwei Notstromleitungen versorgen. Sollte ein Diesel ausfallen, soll über eine automatische Schaltung ein dritter anspringen. In moderneren Anlagen gibt es keine Verbindung zwischen diesen beiden Sicherheitssystemen. Im vergangenen Jahr wurde ein weiterer Diesel auf das Notstromsystem geschaltet, der von Hand in Betrieb genommen werden kann, wenn das „überkomplexe“ (Reaktorsicherheitskommission) Notstromsystem in Brunsbüttel ausfällt. Das reiche angesichts der kurzen verbleibenden Laufzeit von knapp zwei Jahren aus, sagte Trauernicht. In einer Stellungnahme der Kieler Aufsicht heißt es: „Für weitere mittel- und längerfristige Maßnahmen ist das Kernkraftwerk Brunsbüttel aufgefordert worden, Vorschläge zur Aufhebung der Vermaschung vorzulegen.“

Vattenfall will jedoch Reststrommengen aus den Atomkraftwerken Mülheim- Kärlich oder Krümmel auf Brunsbüttel übertragen und damit die Laufzeit des 30 Jahre alten Reaktors um mindestens zweieinhalb Jahre verlängern. Damit unterlag der Energieversorger aber in der ersten Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig. Vattenfall will jetzt vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen.

Vattenfall-Sprecher Ivo Banek sagte, dass eine Erneuerung des Notstromsystems sich nicht rechnen würde. Selbst wenn die beantragte Strommengenübertragung genehmigt würde, sei dies keine Option, weil ein kompletter Austausch der Leittechnik einen Stillstand von mehreren Jahren bedeuten würde. Wann die seit dem 28. Juni 2007 stillstehenden Reaktoren Brunsbüttel und Krümmel wieder ans Netz gehen, dazu gibt es von Vattenfall laut Banek keine Aussage mehr. Aus dem Sozialministerium in Kiel hieß es dagegen, nach Vattenfall-Angaben rechne man für Brunsbüttel mit einem Wiederanfahren nicht vor Ende März und für Krümmel nicht vor Mitte Mai. Vor vier Tagen hatte Trauernicht noch von Ende Februar gesprochen.

Laut Banek ist der im Vorjahr ausgebrannte Trafo inzwischen ersetzt und einsatzbereit. Grund für den Stillstand sei nun die Untersuchung von falsch montierten Dübeln. Dazu liegt nach seinen Angaben der Reaktoraufsicht bereits ein Gutachten vor. Vattenfall geht von Mängeln im Einzelfall aus und nicht von einem systematischen Baufehler wie im hessischen Reaktor Biblis. Im Akw Krümmel schlössen derzeit Risse in Armaturen und Steuerleitungen ein Wiederanfahren aus.

Auf den Vorwurf der DUH, der für Brunsbüttel zuständige Gutachter des Tüv Nord werde künftig für Vattenfall arbeiten, sagte Banek, dieser gehe in den Ruhestand. Allerdings steige er in ein Ingenieurbüro ein, das mehrfach für Vattenfall gearbeitet habe und auch wieder beauftragt werde. „Es gibt schließlich nicht viele Fachleute, die die Anlage so gut kennen“, sagte Banek.

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