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Eine lange Gefängnisstrafe drohte dem ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn (3.v.l.). Am Dienstag jedoch wurde das Verfahren eingestellt, und er verließ das Gericht in Begleitung seiner Frau sichtlich erleichtert. Foto: AFP

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Politik: Nicht über jeden Zweifel erhaben

Strauss-Kahn ist frei: Die Staatsanwaltschaft in den USA zieht die Anklage zurück – und kritisiert die Belastungszeugin scharf

Strafrechtlich hat Dominique Strauss- Kahn von der US-Justiz nichts mehr zu befürchten. Nachdem die Staatsanwaltschaft in New York am Montag die Einstellung des Verfahrens wegen versuchter Vergewaltigung einer Hotelangestellten beantragt hatte, ließ Richter Michael Obus die Anklage am Dienstag fallen. Zuvor hatte Obus den Antrag der Gegenseite abgelehnt, die mit dem Fall befassten Staatsanwälte auszutauschen. Strauss-Kahn verließ das Gericht ohne Kommentar. Am Abend wies ein Berufungsgericht auch den Antrag des mutmaßlichen Opfers zurück, die Klage unter einem anderen Staatsanwalt neu aufzurollen.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, die Anklage hänge von der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens ab. Man habe die 33-jährige Nafissatou Diallo, eine Immigrantin aus Guinea in Westafrika, im Laufe der Ermittlungen bei mehreren Lügen ertappt und glaube nicht mehr daran, dass die Geschworenen in dem geplanten Strafprozess zu einem Urteil finden, das sich im Wesentlichen auf die Aussagen der Frau stützt. Die Zivilklage wegen Schadenersatzforderungen Diallos an Strauss-Kahn ist damit nicht vom Tisch. Ihre Aussichten werden freilich vom Ausgang des Strafverfahrens beeinflusst.

Die Wende für den 62-jährigen Strauss Kahn hatte sich seit sechs Wochen abgezeichnet. Kurz vor einem Haftprüfungstermin am 1. Juli waren Zweifel der Staatsanwälte an der Frau öffentlich geworden. Der strenge Hausarrest gegen den Franzosen wurde gelockert.

Jener Tag teilt das mehr als dreimonatige Verfahren in zwei gegensätzliche Phasen, in denen sich die Spekulation, wer Opfer und wer Täter sei, umdrehten. In den ersten sechs Wochen nach der für beide verhängnisvollen Begegnung am 14. Mai in Suite 2806 des Sofitels in Manhattan hatte Strauss-Kahn als der Schurke gegolten, der eine Frau zu sexuellen Handlungen gezwungen habe. Er musste als IWF- Chef zurücktreten und verlor seine Favoritenrolle für die Präsidentenwahl in Frankreich 2012.

Freigesprochen von diesem Vorwurf ist Strauss-Kahn bis heute nicht. In der zweiten Phase der Ermittlungen traten aber die Glaubwürdigkeit Diallos und der Verdacht, dass sie aus finanziellen Motiven die Unwahrheit sage, in den Vordergrund. Bei den Fragen, die bei der strafrechtlichen Bewertung den Ausschlag geben, steht Aussage gegen Aussage. Diallo sagt, sie habe an die Eingangstür der Suite geklopft und sei, als keine Antwort kam, eingetreten in der Annahme, dass sie leer sei. Dann sei Strauss-Kahn nackt aus dem Badezimmer gekommen, habe sie bedrängt, ihr Kleider vom Leib gerissen und sie mit körperlicher Gewalt zu Oralverkehr gezwungen. Strauss-Kahn bestreitet nicht, dass es zu sexuellen Handlungen kam, behauptet aber, sie seien im Einvernehmen erfolgt.

Zeugen gibt es nicht, die beiden waren während des Vorfalls, der weniger als eine Viertelstunde dauerte, alleine in der Suite. Die Spurensicherung fand seinen Samen auf ihrer Kleidung, nicht aber Beweise für die von ihr behauptete Gewalttätigkeit Strauss-Kahns und ihre Gegenwehr, zum Beispiel Hautabschürfungen bei der einen Person und Hautpartikel unter den Fingernägeln der anderen Person. Damit hing alles davon ab, wer im Prozess glaubwürdiger wirken würde. Im Mai hatte Staatsanwalt Cyrus Vance versichert, Diallo sei eine „standhafte“ Frau, die „unerschütterlich“ zu ihren Aussagen stehe. Nun sagt er, sie beharre „auf störrische und oft unerklärliche Weise auf unwahren Darstellungen sowohl bei Fragen von geringer als auch großer Bedeutung“. Wenn die Staatsanwaltschaft kein Vertrauen mehr haben könne, dass ihre Aussagen „über jeden Zweifel erhaben“ seien, wie solle man dann die Jury überzeugen, einen Schuldspruch zu fällen.

Zum Beispiel hatte Diallo auf Rückfragen mehrfach versichert, sie verfolge mit den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn keine finanziellen Interessen. Dann wurde das Abhörprotokoll eines Telefonats bekannt, das sie kurz nach dem Vorfall mit einem Bekannten im Gefängnis geführt hatte, in dem sie sagte, ihr Widersacher sei reich und sie wisse, was sie tue. In ihrem Antrag auf Asyl in den USA hatte sie behauptet, sie sei Opfer einer Massenvergewaltigung in Afrika gewesen. Dies hat sich als falsch erwiesen. Dies gilt als Beleg, dass Diallo schon einmal eine angebliche sexuelle Straftat in allen Details geschildert habe, von der sich später herausstellte, dass sie erfunden war. Bekannte, die als Drogenhändler gelten, hatten zudem ihr Konto zur Geldwäsche benutzt. Und entgegen ihrer Behauptung, sie besitze nur ein Handy, sind mindestens fünf auf sie angemeldet.

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