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Nichtraucherschutz: Bayern geht die Raucherei zu weit

Ein Volksbegehren gegen den gelockerten Nichtraucherschutz in Bayern war erfolgreich. Im nächsten Jahr könnte es einen Volksentscheid geben.

Berlin - Für den frischgebackenen CSU-Chef war die Sache damals klar: Dass seine Partei die Landtagswahl 2008 so vergeigt hatte, lag ganz wesentlich an ihrem Übereifer in Sachen Nichtraucherschutz. Das allzu rigorose Gesetz habe die „bayerische Volksseele verletzt“, wetterte Horst Seehofer. Und um der Liberalitas Bavariae willen erlaubte der ehemalige Bundesgesundheitsminister seinen Landsleuten wieder mehr blauen Dunst. In Bierzelten, kleinen Bierkneipen und Nebenräumen großer Gaststätten durfte hinfort wieder gequalmt werden wie in alten Zeiten.

Gedankt haben die Bayern ihrem Landesvater das vermeintliche Entgegenkommen nicht. Im Gegenteil. Per Volksbegehren wandten sich nun 1,3 Millionen Bürger – das sind 13,9 Prozent aller Wahlberechtigten – gegen die erst im August beschlossene Rauchverbotsaufweichung. Peinlicher geht’s kaum. Der von ÖDP und Nichtraucherinitiativen formulierte und von SPD und Grünen unterstützte Entwurf ist fast identisch mit dem, was die CSU-Alleinregierung bereits realisiert, nach dem Wahldesaster aber mit der FDP wieder einkassiert hatte. Nur in einer Hinsicht ist er noch rigoroser: Auch mit der Umbenennung zum Raucherclub soll sich hinfort keine bayerische Kneipe mehr dem Qualmverbot entziehen können.

Dass die Hürden so mühelos genommen wurden, zeigt, wie schlecht der CSU- Wackelkurs in der Bevölkerung ankam. Nur 940 000 Unterschriften wären notwendig gewesen, die gesetzliche Zehn-Prozent-Quote wurde weit überschritten. Erstmals seit zwölf Jahren war damit in Bayern wieder ein Volksbegehren erfolgreich. Was daraus nun wird, ist offen. Wenn der Landtag nicht einlenkt, gibt es im kommenden Jahr einen Volksentscheid. Ist auch der erfolgreich, wird es noch peinlicher für die sich so volksnah gerierende CSU. Doch zum Rückzug vom Rückzug will in der Staatsregierung jetzt auch keiner blasen. Sollen die Bürger doch entscheiden, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Das klingt nicht nach überschwenglichem Bekenntnis zur Basisdemokratie. Es klingt vor allem beleidigt. Rainer Woratschka

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