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Politik: Nichts gegen die EU

Von Susanne Güsten, Istanbul Mit der Einigung auf vorgezogene Neuwahlen am 3. November ist in der türkischen Regierungskoalition der Knoten geplatzt, der bisher die von der EU geforderten Reformen blockiert hatte.

Von Susanne Güsten, Istanbul

Mit der Einigung auf vorgezogene Neuwahlen am 3. November ist in der türkischen Regierungskoalition der Knoten geplatzt, der bisher die von der EU geforderten Reformen blockiert hatte. Weil die Koalition nun ohnehin keine Mehrheit im Parlament mehr hat und sich nur noch als Übergangsregierung betrachtet, gaben die Nationalisten den beiden anderen Koalitionsparteien grünes Licht für eine Verabschiedung der EU-Reformen mit den Stimmen der Opposition. Das Parlament soll nun zu einer Sondersitzung zusammengerufen werden und die auf Eis liegenden Reformprojekte verabschieden, bevor es seine Selbstauflösung und den Wahltermin beschließt. Damit könnte die Türkei es mitten in der Regierungskrise doch noch schaffen, rechtzeitig vor dem EU-Fortschrittsbericht im Herbst ihre europapolitischen Hausaufgaben zu erledigen.

Diese Hoffnung war eigentlich sowohl in Ankara als auch in Brüssel schon längst aufgegeben worden. Zwar gäbe es im türkischen Parlament schon längst eine Mehrheit für die Abschaffung der Todesstrafe, die Ausweitung der Minderheitenrechte und die anderen Reformen, die Brüssel verwirklicht sehen will, bevor Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können. Diese Mehrheit konnte bisher aber nicht ausgeschöpft werden, weil die einzigen EU-Gegner – die Nationalisten – in der Regierung saßen und mit dem Auszug aus der Koalition drohten, falls die Gesetze mit Unterstützung der Opposition gegen sie verabschiedet würden. Schon seit dem Frühjahr blockierte dieser Streit jeden Fortschritt der türkischen EU-Bewerbung; letztendlich war er ursächlich für das Scheitern der Koalition.

Mit diesem Scheitern entfällt die Koalitionsräson, in der die beiden Europa-freundlichen Regierungsparteien – die Mutterlandspartei von Mesut Yilmaz und die Partei der Demokratischen Linken von Ministerpräsident Bülent Ecevit – gefangen waren. Nationalisten-Chef Devlet Bahceli selbst gab seinen Partnern nun grünes Licht, sich im Parlament neue Mehrheiten für die Reformgesetze zu suchen. Seine Partei werde die Übergangsregierung nicht verlassen, wenn die Gesetze zu Todesstrafe und Minderheitenrechten gegen ihre Stimmen verabschiedet würden, versprach er. Europa-Minister Yilmaz schickte daraufhin Unterhändler zu den Oppositionsparteien, die auch ihre Unterstützung für das Vorhaben zusicherten.

Möglicherweise schon im August soll die scheidende Volksvertretung bis zu 40 Gesetze durchstimmen; damit könnten alle Reformen verabschiedet sein, bis die EU-Kommission am 13. September ihren Fortschrittsbericht über die Türkei aufsetzt. Nach den Wahlen im November könnte die neue türkische Regierung dann im Dezember schon auf dem Kopenhagener EU-Gipfel auftauchen – und einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen verlangen.

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