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Politik: Nichts wie weg aus Rossendorf

Sachsen will Atommüll ins Zwischenlager Ahaus bringen – weil das billiger ist als ein eigenes Lager. Gegner des Transports haben Zweifel

Von Matthias Schlegel

Die 18 Kübel sehen aus wie Abfallbehälter für Altglas. Doch ihr Inhalt ist hochgefährlich: 951 Brennstäbe aus dem 1991 stillgelegten Reaktor des Kernforschungszentrums Rossendorf bei Dresden. In einer eigens errichteten Halle auf dem streng bewachten Gelände der Einrichtung, die seit 1957 die DDR-Atomforschung vorantrieb und den Zehn-Megawatt-Reaktor sowjetischer Bauart als Neutronenquelle für die Radioisotopenproduktion nutzte, warten die Castoren auf ihren Abtransport ins 600 Kilometer entfernte Ahaus (Nordrhein-Westfalen).

Seit Wochen machen deshalb Atomkraftgegner am Anfangs- und am Endpunkt der geplanten Route mobil: Weil sie die Risiken von Atommülltransporten ablehnen und weil sie weitere Einlagerungen in das Zwischenlager Ahaus verhindern wollen. Denn mit ihrem Konzept, abgebrannte Kernelemente in standortnahen Zwischenlagern der Atomkraftwerke zu lagern, hat die rot-grüne Bundesregierung den innerdeutschen Atommülltourismus drastisch reduziert. Doch Rossendorf ist ein Sonderfall, weil es Forschungsstandort und überdies eine DDR-Altlast ist.

Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU) macht keinen Hehl daraus, dass der Freistaat das strahlende Erbe um alles in der Welt loswerden will. Schon 1996 hat das Kabinett beschlossen, aus Rossendorf einen offenen wissenschaftlichen Campus zu machen. Der soll dann – natürlich – strahlungsfrei sein. Das wird wohl noch zehn bis 15 Jahre dauern, und der Freistaat wird am Ende rund 335 Millionen Euro in dieses Konzept „grüne Wiese" investiert haben. Denn die Bundesregierung beteiligt sich nicht an den Entsorgungskosten – anders als an den Kernforschungsstandorten Jülich und Karlsruhe, deren Bau und Entsorgung zu 90 Prozent aus Bundesmitteln erfolgt. Für die alte DDR-Anlage befreit der Einigungsvertrag den Bund von seiner Verantwortung.

Flaths Sprecher Dirk Reelfs macht noch eine andere Rechnung auf: Der Transport nach Ahaus, das notwendige Genehmigungsverfahren und die Miete für 40 Jahre würden den Freistaat sechs Millionen Euro kosten. Dagegen schlügen der Bau eines eigenen Zwischenlagers, Bewachung und Wartung der Castoren in Rossendorf in der gleichen Zeit mit 90 Millionen Euro zu Buche. Dieses Verhältnis ist allerdings schöngerechnet: Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD), erklärter Gegner des Transports, beziffert allein die Kosten für die polizeiliche Sicherung des Castor-Transports auf rund 50 Millionen Euro – die tauchen in den Zahlen aus Dresden gar nicht auf.

Die 18 Castoren werden, sobald die Genehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz vorliegt, per Lastkraftwagen verschickt: Rossendorf verfügt nicht über einen Bahnanschluss. Doch deutschlandweit gibt es nur einen einzigen Satz jener Stoßdämpfer, die notwendig sind, um einen Castor auf der Lkw-Ladefläche abzufedern. Ein zweiter ist in Holland geordert worden, damit zumindest jeweils zwei Lkw starten können, wie der Direktor des Vereins für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf, Udo Helwig, berichtet. Dieses Unternehmen realisiert den Rückbau des Kernforschungszentrums seit 1991. Wann genau die Castoren abgeholt werden, weiß auch Helwig nicht. Andreas Eckert vom Aktionsbündnis „Castorstopp“ hat seine eigene Zeitrechnung: Wenn die Polizei Container in Ahaus errichtet, dauert es noch eine Woche.

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