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Politik: Niederländer stimmen über EU-Verfassung ab

In den Niederlanden hat am Morgen das Referendum über die EU-Verfassung begonnen. Umfragen zufolge könnte die Ablehnung noch deutlicher ausfallen als in Frankreich. Bis jetzt wurde eine hohe Wahlbeteiligung registriert. (01.06.2005, 10:13 Uhr)

Den Haag - Am Morgen begann in den Niederlanden das mit Spannung erwartete Referendum über die EU-Verfassung. Die letzten Umfragen ließen erwarten, dass etwa 59 Prozent der Holländer gegen die Verfassung stimmen werden. Die Chance sei extrem gering, dass sich die Stimmung noch wenden könnte, sagten Demoskopen am Dienstag. Politiker aller großen Parteien warben bis zuletzt weiter für die Annahme der Verfassung.

Das Referendum in Holland hat nur beratenden Charakter, das Resultat ist für die Regierung des christdemokratischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende nicht bindend. Bei einer Wahlbeteiligung von über 30 Prozent will man das Votum aber berücksichtigen, hieß es gestern aus Den Haag.

Für die EU-Verfassung wäre ein zweites "Nein" innerhalb so kurzer Zeit verheerend. Der Ratifizierungsprozess, der theoretisch bis November 2006 andauern soll, könnte schwerlich fortgesetzt werden, als sei nichts geschehen. Als wahrscheinlich gilt, dass der britische Premier Tony Blair das für 2006 geplante Referendum in seinem Land absagt, wenn auch die Niederländer der Verfassung eine Abfuhr erteilen.

Die niederländischen Gegner der Verfassung rekrutieren sich nach Medien- Analysen vor allem aus Kritikern der christlich-liberalen Regierung sowie aus Gegnern der Euro-Einführung und der EU-Beitrittspolitik.

«Mehr als 70 Prozent meinen, dass unser Land bei Einführung dieser Verfassung noch mehr an Europa zahlen muss, und fast 60 Prozent sind der Auffassung, dass die Verfassung zu früh kommt», fand «De Telegraaf» in einer eigenen, nicht repräsentativen Meinungsumfrage heraus. Nach Ansicht des «Algemeen Dagblad» gab auch die Ablehnung durch die Franzosen den EU-Gegnern in den Niederlanden Auftrieb.

Schon vor dem französischen Referendum hatten auch positiv gestimmte Wähler kritisiert, dass die Regierung in Den Haag zu wenig getan habe, um die Wähler über den Inhalt der Verfassung zu informieren. Seit Montag warben die Befürworter vor allem mit dem Appell «Nun erst recht» um Zustimmung.

Inzwischen zeichnet sich eine hohe Beteiligung ab. Der Andrang in den Abstimmungslokalen war am Mittwochvormittag stärker als bei der Europawahl des vergangenen Jahres. In den ersten zwei Stunden hatten bereits 12 Prozent der 12 Millionen Abstimmungsberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das waren gut drei Prozentpunkte mehr als bei der Wahl vor einem Jahr, stellten Demoskopen bei repräsentativen Umfragen fest.

Die Wahllokale haben noch bis 21 Uhr geöffnet. Aufgerufen zur Stimmabgabe sind 12,1 Millionen Niederländer. Mit aussagekräftigen Ergebnissen wird gegen 22.00 Uhr gerechnet. Bereits am Donnerstag steht im Parlament dann das Thema Europa auf der Tagesordnung. (tso)

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