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Politik: Niederlage für Polens Regierung

Warschau - Der Präsident kann seinen Zorn über die Niederlage kaum unterdrücken. Sekunden steht er stumm vor einer Wand von Mikrophonen, dann herrscht Lech Kaczynski: „Wir werden ein neues Gesetz präsentieren.

Warschau - Der Präsident kann seinen Zorn über die Niederlage kaum unterdrücken. Sekunden steht er stumm vor einer Wand von Mikrophonen, dann herrscht Lech Kaczynski: „Wir werden ein neues Gesetz präsentieren.“ Das Alte hatte am Freitag Polens Verfassungsgericht kassiert. Die Richter urteilten, dass die Überprüfung von rund 700 000 Polen auf mögliche Spitzeldienste für das ehemalige kommunistische Regime in vielen Punkten gegen die Verfassung verstoße.

Trotzdem: „Die Angelegenheit ist nicht beendet“, warnte der Präsident die Gegner des Lustrations-Gesetzes (Durchleuchtung). Er und sein Bruder, der Premier, wollen Polen von einem angeblichen Netz aus Ex- Kommunisten, korrupten Geschäftsleuten und Geheimpolizisten befreien, die nach 1989 die Macht übernommen hätten. Die Opposition vergleicht das Tun der nationalkonservativen Zwillinge mit einem Feldzug gegen frühere Verbündete aus der Zeit von Solidarnosc.

Ähnlich sehen es die Verfassungsrichter. „Der Staat muss die Menschenrechte respektieren und nicht zur Rache greifen“, sagte Gerichtspräsident Jerzy Stepien. Gegen das Gesetz verstoße unter anderem die geforderte Durchleuchtung aller Journalisten, Leiter von Schulen und Unis sowie Geschäftsführer großer Firmen. Gleiches gelte für die geplante Veröffentlichung einer Liste inoffizieller Mitarbeiter der kommunistischen Geheimpolizei SB im Internet.

Der Machtkampf um das Gesetz war vor dem Urteil eskaliert. Die Regierung versuchte, dessen Verkündung zu verzögern. Offenbar um so viele Leute wie möglich zu entlassen, die sich weigerten, die Erklärung über mögliche Spitzelaktivitäten abzugeben. Am Mittwoch wurden die Verfassungsrichter überprüft, obwohl dies bereits geschehen war, und am Donnerstag zwei von ihnen suspendiert. Ein Vertreter der Regierungspartei PiS sagte, sie seien in den Akten des Geheimdienstes als inoffizielle Mitarbeiter gelistet. Selbst wohlmeinende Kommentatoren sahen im Versuch, die Richter einzuschüchtern, einen Skandal.

Knut Krohn

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