zum Hauptinhalt
Wilders

© dpa

Niederlande: Rechtspopulist auf dem Vormarsch

Wilders gewinnt die Kommunalwahlen in den Niederlanden. Sie galten als Test für die Abstimmung über das Parlament am 9. Juni.

„Wir werden die Niederlande zurückerobern von der linken Elite, die immer noch an den Islam, an Multikulti, an den Unsinn von Entwicklungshilfe und den europäischen Superstaat glaubt“, sagt Geert Wilders von der Partei für die Freiheit (PVV) nach seinem überwältigenden Wahlsieg bei den Kommunalwahlen am Mittwoch in den Niederlanden. Und diese geplante Rückeroberung scheint ihren Anfang zu nehmen in Almere, jener Stadt aus der Retorte, gebaut auf dem Meer abgerungenem Land: dem holländischen Polder.

Gleichzeitig markiert der Wahlsieg das Ende des viel gerühmten Poldermodells, wo gesellschaftliche und politische Gegensätze bisher einvernehmlich gelöst wurden. Die Polarisierung ist auf dem Höhepunkt angelangt und das Land, geht man von den Hochrechnungen für die nationalen Wahlen aus, nahezu unregierbar, da mindestens vier Parteien nötig sind, um zu einer mehrheitsfähigen Regierungskoalition zu kommen. Ob die Niederlande dann zu Wilders Westen mutieren, wird sich bei den anstehenden Neuwahlen am 9. Juni entscheiden.

Bislang stehen die Niederlande in dem Ruf, eine tolerante Gesellschaft mit einer sozialen Marktwirtschaft zu sein. Das stimmte bis Anfang der achtziger Jahre. Doch mit dem Antritt des ersten Kabinett Lubbers 1982 begann die Verschiebung der sozialökonomischen Politik weg vom rheinischen hin zum angelsächsischen Modell, wie es seinerzeit von Margaret Thatcher und Ronald Reagan propagiert wurde: mehr Verantwortung des Bürgers für die eigene Wohlfahrt und das eigene Wohlergehen, höhere Einsparungen im Staatshaushalt, die Hinnahme größerer Einkommensunterschiede, Privatisierung und Deregulierung sowie ein Staat, der sich zugunsten der Marktkräfte Schritt für Schritt zurückzieht.

Zwar erlebt dadurch die Wirtschaft der Niederlande am Ende des 20. Jahrhunderts und am Anfang des 21. Jahrhunderts einen nie dagewesenen Boom, doch der ist in vielen Teilen der Gesellschaft nicht angekommen. Während die Einkommen der Topmanager um 130 Prozent gestiegen sind und auch die mittleren Gruppen am allgemeinen Wohlstandsanstieg teilhatten, ist die Kaufkraft am unteren Ende – trotz gesetzlichem Mindestlohn – nicht nur relativ, sondern sogar absolut um rund fünf Prozent zurückgegangen. Dies gilt in noch höherem Maße für die Sozialbezüge – Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Staatsrente. 1980 betrugen diese rund 85 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns, jetzt nähert sich das Niveau immer mehr der Marke von 65 Prozent an und damit der Europäischen Armutsdefinition von 60 Prozent. Dem Armutsbericht zufolge hat sich die Armut denn auch von vier Prozent im Jahre 1981 auf elf Prozent im Jahre 2006 verdreifacht. Gleichzeitig wurde im Gegensatz etwa zu Schweden der Sozialstaat drastisch abgebaut: Als einziges Land der EU 15 haben die Niederlande ihre Ausgaben in diesem Bereich um fast 20 Prozent vermindert, während überall sonst der Etat um durchschnittlich 16 Prozent angehoben wurde. Dabei war es unerheblich, welche Regierung gerade an der Macht war: ob es eine Rechts-Koalition von Christdemokraten und Rechtsliberalen gab (in den achtziger Jahren), das rotschwarze Kabinett aus Christ- und Sozialdemokraten, oder die lila Koalition von Sozialdemokraten mit den Rechts- und Linksliberalen in den neunziger Jahren. Vielleicht erklärt sich hieraus die Politikverdrossenheit der Bürger und das Aufkommen von Populisten wie Pim Fortuyn, Geert Wilders und Rita Verdonk.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false