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Protest ohne Ende. Immer wieder versammeln sich Impfgegner zu "Spaziergängen" und provozieren die Polizei. Hier ein Auflauf in Chemnitz. Die Einsatzkräfte konnten die Demonstranten nicht stoppen.

© imago images/HärtelPRESS

Exklusiv

„Versammlungen sind reine Provokation“: Niedersachsens Innenminister Pistorius warnt Impfgegner

Boris Pistorius verurteilt die „Spaziergänge“ und erhöht den Druck. Verstöße werden härter geahndet. Er wendet sich auch gegen den Messengerdienst Telegram.

Von Frank Jansen

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) geht härter gegen die als "Spaziergänge" getarnten, rechtswidrigen Demonstrationen von Coronaleugnern und Impfgegnern vor. "Diese Versammlungen sind kein Protest, sondern reine Provokation", sagte Pistorius, auch Sprecher der SPD-Ressortchefs in der Innenministerkonferenz (IMK), dem Tagesspiegel.

Der Staat solle "gezielt bloßgestellt werden". Pistorius monierte, "es wird bewusst auf das Tragen von Masken verzichtet, es wird kein Abstand eingehalten und es werden keine Ausweisdokumente mitgeführt". Wie die Mehrheit der Bevölkerung habe er "keinerlei Verständnis für diese Form von Protest".

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Natürlich habe jeder das Recht, zu demonstrieren, aber "man muss sich an das Versammlungsrecht halten und an die Corona-Verordnung, etwa die Maskenpflicht oder die nötigen Abstände". In Niedersachsen werde nun nochmal verstärkt durchgegriffen, kündigte Pistorius an.

Das Innenministerium hat zum Jahreswechsel die Versammlungsbehörden aufgefordert, die nicht angemeldeten Versammlungen bereits vorbeugend durch eine "Allgemeinverfügung" zu beschränken. Damit werden die Teilnehmer der Demonstrationen verpflichtet, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Die größeren Städte in Niedersachsen und die Polizeidirektion Hannover haben bereits Allgemeinverfügungen erlassen. Verstöße haben Konsequenzen. So wurden am Montag bei den insgesamt 117 Aufläufen von mehr als 14.000 Coronaleugnern und Impfgegnern in Niedersachsen insgesamt 746 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten mit Corona-Bezug eingeleitet. Es drohen beträchtliche Geldbußen. Hinzu kamen 383 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten angesichts der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und weitere 38 Verfahren wegen Straftaten. In Hannover und Braunschweig hatten Demonstranten die Polizei attackiert, in Papenburg versetzte ein Impfgegner einem Beamten einen Faustschlag und biss zwei Polizisten in die Finger.

Apple und Google sollen Telegram aus den App-Stores verbannen

Pistorius will zudem mit seinen Länderkollegen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser noch im Januar darüber sprechen, wie die Hetze von Coronaleugnern und Impfgegnern im Messengerdienst Telegram eingedämmt werden kann. "Mehrfach habe ich bereits gefordert, dass Apple und Google entsprechend ihre App-Stores anpassen und Telegram daraus verbannen", betonte Pistorius.

Die Konzerne "sollten auch an ihr Image denken, denn eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung will nichts mit diesen Schwurblern, Verschwörungstheoretikern und Coronaleugnern zu tun haben". Er schlage vor, dass die Innenministerkonferenz "mit den Unternehmen in Austausch tritt".

Querdenker drohen Manuela Schwesig mit Mord

Bei Telegram können Chatgruppen ungehindert Hass bis hin zu Todesdrohungen verbreiten. So hatten Querdenker kürzlich in dem Messengerdienst angekündigt, Mecklenburgs Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) werde "mit dem Leichenwagen" abgeholt.

Das Landeskriminalamt ermittelt. Ein Oberfeldwebel der Bundeswehr drohte Politikern in einem Video bei einer anderen Chatgruppe, "euch wird man in Scherben schlagen, eure Leichen wird man auf Feldern verstreuen". Gegen den Unteroffizier hat die Generalstaatsanwaltschaft München ein Verfahren wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten eingeleitet.

"Niederste Gewaltfantasien"

Die Drohungen seien "erschreckend und niederträchtig", sagte Pistorius. Es würden "niederste Gewaltfantasien verbreitet". Der Minister warnte, "wann die Stufe zur Tatdurchführung überschritten wird, ist dabei meist schwer vorherzusagen, da die Radikalisierung sehr schnell passiert und das oft im Verborgenen".

Messengerdienste wie Telegram "können da schnell als Brandbeschleuniger wirken". Für Pistorius wird deutlich, "wie sehr wir weiter unsere Ermittlungskompetenzen im digitalen Raum stärken müssen". Auch das soll ein Thema bei dem Treffen der IMK mit Bundesinnenministerin Faeser sein.

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