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Politik: Nimmer auf die Kleinen

Die Grünen beschwören den Reformkurs – doch die Forderungen werden lauter, dass jetzt die Wohlhabenden Federn lassen sollen

Von Matthias Meisner

Einen Tag vor dem Verzicht des Kanzlers auf das Amt des SPD-Vorsitzenden war Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, in Erfurt – und hatte wieder einmal Genossen in Schutz zu nehmen. Die Grünen waren auf Kirchen-Tour, Göring-Eckardt hielt eine Gastvorlesung im Seminar „Politische Ethik“ der katholisch-theologischen Fakultät, und der Professor warf der Politik vor, dass es in Berlin nur noch um den Erhalt von Macht, von Mehrheiten gehe. Von wegen, wies Göring-Eckardt dies zurück. „Wenn eine Partei wie die SPD den Umbau des Sozialstaats so vehement und so relativ konsequent vorantreibt und dann in Umfragen bei 24 Prozent landet, dann kann man nicht mehr darüber reden, dass es nur noch um Machterhalt geht.“

Inzwischen hat Gerhard Schröder die Macht in der SPD neu verteilt – und zumindest die Grünen-Spitze hofft, der „schwierige Kampf“ um die Durchsetzung der rotgrünen Reformpolitik werde „neuen Drive“ bekommen. Ganz sicher ist dabei keiner. Doch gern zitieren etwa Göring-Eckardt und der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer nun die Ankündigungen von Schröder und Franz Müntefering, die Reformpolitik fortsetzen zu wollen. Einen konsequenten Reformkurs könne vor allen anderen eine rot-grüne Regierung verfolgen, betont Göring-Eckardt. Und die haushaltspolitische Sprecherin Antje Hermenau lobt den Schritt des Kanzlers, auf ein Team zu setzen, als „strategisch richtig“ und „clever“: „Schröder gewinnt dadurch an Statur.“ Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck stellt im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag heraus, dass in der neuen Aufstellung die Chance für die SPD liege, „wieder Boden gutzumachen“.

Über das Wie gibt es geteilte Meinungen. Einige erwarten, einige befürchten nach dem Machtwechsel eine Kurskorrektur der Sozialdemokraten, ähnlich wie die SPD-Linke sie fordert. So redet mancher Grüne jetzt auch davon, dass Müntefering besser als Schröder SPD-Politik für die „kleinen Leute“ machen könne, dass er Differenzen zur CDU klarer machen werde und sozialdemokratische Milieus besser mobilisieren könne. Offen argumentiert in diese Richtung etwa der grüne Vizefraktionschef Hans-Christian Ströbele. Er sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, er hoffe, dass die SPD nun wieder die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Politik rücke – und es nicht bei anderen Personen und Sprüchen belasse. „Ohne soziale Signale kommt die SPD nicht auf die Beine, und auch nur in dieser Richtung liegt die Perspektive der Koalition. Reform kann nicht immer nur Sozialabbau heißen. Es muss auch mal heißen: Umverteilung von oben nach unten.“

Zur Frage, ob dem Führungswechsel in der SPD auch eine Kabinettsumbildung folgen sollte, will sich kein Spitzengrüner äußern, jedenfalls nicht öffentlich. Erwogen werden mögliche Vorteile indes schon. „Vielleicht kommt das ja nach Ostern“, sagt einer – und es hört sich an, als ob die Grünen nichts dagegen hätten.

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