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Politik: Noch mehr Geld für abgetauchte Nazis?

Der Thüringer Fall wird immer mysteriöser.

Von Frank Jansen

Berlin - Der Fall der Gelder des Thüringer Verfassungsschutzes, die über einen V-Mann der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ zugute kommen sollten, wird zunehmend mysteriös. Nach Informationen des Tagesspiegels hat der rechtsextreme V-Mann Tino Brandt offenbar mindestens zweimal D-Mark-Beträge an mutmaßliche Unterstützer der 1998 abgetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe weitergegeben. Da sind zum einen die 2000 Mark, die Brandt, wie berichtet, Ende der 1990er Jahre dem Neonazi André K. überreichte. André K. sollte davon falsche Pässe für das Trio besorgen. Der Verfassungsschutz hoffte, so die „Tarnidentitäten“ des Trios erfahren zu können. Hinzu kommt eine Spende Brandts in Höhe von 500 Mark, die der V-Mann im März 1999 dem späteren Vizechef der Thüringer NPD, Ralf Wohlleben, zusteckte. Bei beiden Spenden ist aber unklar, wo das Geld blieb.

Wohlleben sitzt seit Ende November in Untersuchungshaft, weil er der Terrorzelle eine Waffe und Munition beschafft haben soll. Der V-Mann Tino Brandt war Ende der 1990er Jahre Anführer der Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz (THS)“, zu der auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zählten.

Zu der Übergabe der 2000 D-Mark durch Tino Brandt an André K. hatten sich Anfang Dezember zwei ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Landtag vor der Parlamentarischen Kontrollkommission geäußert, die den Nachrichtendienst beaufsichtigt. Der Bericht der beiden kam auch für Sicherheitskreise überraschend, da der Thüringer Verfassungsschutz offenbar trotz intensiver Sichtung alter Akten keinen entsprechenden Vorgang entdecken konnte. Damit wird der Verdacht stärker, der Ende der 1990er Jahre amtierende Chef des Nachrichtendienstes, Helmut Roewer, habe das Geld freihändig zur Verfügung gestellt, ohne allzu viele Spuren zu hinterlassen. Roewer war in seiner Amtszeit wegen seines selbstherrlichen Auftretens umstritten und musste im Jahr 2000 den Chefposten räumen.

Seltsam erscheint auch die Geschichte mit der 500-Mark-Spende, die ebenfalls von Tino Brandt stammte. Ob der V-Mann das Geld vom Verfassungsschutz bekam oder aus eigener Tasche abzweigte, womöglich von seinem Spitzelhonorar, ist noch nicht geklärt. Jedenfalls übergab Brandt die Summe im März 1999 an Ralf Wohlleben. Er hatte Brandt berichtet, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe benötigten dringend finanzielle Hilfe. Das Trio hatte bis dahin, zumindest nach den bisherigen Erkenntnissen, noch keine Bank überfallen. Der erste bekannte Raub fand im Oktober 1999 statt.

Sicherheitskreise äußerten am Montag auch den Verdacht, Tino Brandt könnte für das Trio noch mehr Geld bereitgestellt haben. Nachdem Brandt im Mai 2001 als V-Mann enttarnt wurde, war in Presseberichten zu lesen, der Rechtsextremist habe für seine Spitzeltätigkeit 200 000 Mark vom Verfassungsschutz bekommen. Brandt berichtete dann, von dem Geld habe er viel in den „Thüringer Heimatschutz“ gesteckt. Sicherheitsexperten sagten jetzt, auch wenn die vom Verfassungsschutz gezahlte Honorarsumme vermutlich unter 200 000 Mark lag, sei der Gedanke „plausibel“, Brandt könnte dazu beigetragen haben, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe vom Untertauchen im Jahr 1998 bis zum ersten Bankraub 1999, also 20 Monate, finanziell durchkamen. Brandt sagte am Montag, er wisse nicht mehr, was er gespendet habe, „das ist zu lange her“.

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