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Politik: Nochmal davongekommen! (Kommentar)

Große Staatsmänner erkennt man an zwei Redensarten. Die erste ist öffentlich und lautet: "Ich weiß!

Große Staatsmänner erkennt man an zwei Redensarten. Die erste ist öffentlich und lautet: "Ich weiß!" Echte Staatsmänner kann man nicht überraschen, nicht einmal mit dem jüngsten Skandal der anderen. Die zweite Redensart ist privat, eher bescheiden: "Noch mal davongekommen!" Wir wissen, wie innig sich Gerhard Schröder ins Kanzleramt sehnte und dabei eine richtig schöne große Koalition mit der richtig schönen großen CDU herbeiträumte, die es ihm erlassen würde, mit den grünen Schmuddelkindern Regierung zu spielen. Nun ist er ganz froh, sollte man annehmen, deren Lieder zu singen. Man stelle sich auch vor: Kanzler Schröder mit einem das Parlament hinters Licht führenden Innenminister oder einem Außenminister, den es dauernd partout nach Liechtenstein zieht! Ein Kanzler mit, ja, einem vielleicht sogar inkriminierten Stellvertreter! Oh, animal politicum triste! hätte er geklagt und es hätte ihn ganz intensiv nach Jürgen Trittin verlangt. So aber können wir zusammen mit ihm, dem Davongekommenen, schweigen, wohl wissend, dass auch Schröder weiß, warum er nur herzlich wenig über den CDU-Skandal redet.

Umso mehr macht sich, wohl zwangsweise, die geistreiche Berliner Szene Gedanken über den Staatsmann im Wartestand, den Suchenden nach Aura und Autorität. Kalkuliert er mit seinem Schweigen mittel- oder doch langfristig? Wächst er etwa in seine Rolle hinein? Kann er sich kontrollieren, ja selbst beherrschen? Versteckt er seine Spontaneität? Warum, verdammt, stichelt der denn nicht? Ja, was so eine Zurückhaltung bei den Spekulanten an der Berliner Politikbörse so alles auslösen kann. Wir müssen schon sagen, Herr Kanzler: Ganz schön dreist, Ihr unkontrolliertes Schweigen!

Rüdiger Scheidges

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