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Politik: Nochmal mit Gefühl - Die SPD und die Gerechtigkeit (Leitartikel)

Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit versprach das Wahlprogramm der SPD. Nun scheint es nicht nur an der Arbeit, sondern mehr noch an der Gerechtigkeit zu hapern.

Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit versprach das Wahlprogramm der SPD. Nun scheint es nicht nur an der Arbeit, sondern mehr noch an der Gerechtigkeit zu hapern. Ausgerechnet die SPD, die immer für die sozial Schwachen und für eine möglichst umfassende Umverteilung von Einkommen eingetreten ist, will nun die Staatsquote senken und höhere Einkommen steuerlich sogar entlasten. Die Wähler, denen das Herz links schlägt, strafen einen Kanzler ab, der liberal denkt und von dessen Herzen wenig zu spüren ist.

Machen Gerhard Schröder und Hans Eichel jetzt einen verhängnisvollen Fehler, wenn sie die Demontage der großen "Beglückungsmaschine" ("Spiegel") Sozialstaat einleiten und zum breiten Sparen ansetzen? Nein, weil sie einen Weg beschreiten, der nach aller Einsicht in die komplexen Gründe für wirtschaftliches Wachstum notwendig, ja überfällig ist: Viele andere Länder zeigen uns, dass es mit höherem persönlichem Risiko und weniger Staat trotz großer Einkommensunterschiede den meisten besser geht. Wo mehr verdient wird, kann man auch den Schwachen mehr geben. So besehen ist Wachstumspolitik Sozialpolitik. Aber was ist Gerechtigkeit? Zwischen den Extremen einer Ellenbogengesellschaft,in der jeder alles behält, was er zusammenrafft, und dem kommunistischen Traum, jedem das Gleiche, gibt es unendlich viele Varianten "gerechter Verteilung". Ein purer Sozialdarwinismus wäre nicht einmal in den USA gesellschaftsfähig, aber auch das Marxsche Reich der Freiheit ist gescheitert. In Deutschland haben wir ein Dickicht von gut gemeinten Sozialtaten wachsen lassen. Da durchschaut keiner mehr wirklich, wer letzlich unter dem Strich wie viel zahlt oder bekommt. Gerecht kann das nicht sein. Aber alle haben sich daran gewöhnt.

Wenn die Regierung nun darangeht, die Subventionen zu kürzen, Steuerschlupflöcher für Wohlverdienende zu schliessen und Rentenerhöhungen zu reduzieren, so schreien alle Betroffenen, die Gerechtigkeit würde verletzt. Belegen können sie es nicht. Und nun fordern die Gewerkschaften und die linken Flügel der SPD, den Reichen doch ihre dicken Vermögen wieder zu besteuern. Ist das denn eine gute, gerechte Lösung?

Als gerecht gilt nur das, was in einer Demokratie breit akzeptiert und auch durchsetzbar ist. An der Akzeptanz der ja noch zaghaften Korrekturen am deutschen Umverteilungssystem fehlt es weithin. Liegt das an einem "ungerechten" Entwurf oder daran, dass die kurzfristigen Auswirkungen im Portemonnaie gar nicht richtig eingeschätzt und die langfristigen Vorteile für alle nicht begriffen werden? Dann wäre alles nur ein Kommunikationsproblem - und vor den Wahlen im Jahr 2000 vielleicht noch zu beheben. Aber durchsetzbar wäre eine neue Vermögensteuer kaum. Schon heute steht es um die Steuerehrlichkeit schlecht. Die vielen "Umgehungstaten" belegen das: Schwarzarbeit, Steuerverkürzung und Steuerflucht. Der Staat soll immer mehr ausgeben, aber die dafür von ihm geforderten Steuern werden in diesem Lande schon lange nicht mehr akzeptiert. Einer Reichtumssteuer in Deutschland kann der wirklich Reiche, der neue Europäer oder der Weltbürger immer leichter ausweichen. Die Aufkommen würden deshalb bescheiden ausfallen. Hier stößt der nationale Staat an die Grenzen einer autonomen "gerechteren" Sozialpolitik. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer wäre deshalb nur ein symbolischer Akt, allenfalls geeignet, das aktuelle Gefühl einer klaffenden Gerechtigkeitslücke vorübergehend zu beruhigen. Dennoch macht Gerhard Schröder einen Fehler, wenn er sich nur mit sachlich richtigen Durchhalteparolen wehrt. Die Menschen wollen Herz spüren - und soziale Betroffenheit.

Heik Afheldt

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