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Nordafghanistan: Tote bei Demonstration vor Bundeswehr-Camp

Eine Demonstration vor einem Bundeswehrlager in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Talokan endet blutig. Offenbar wurden zehn Demonstranten getötet. Zwei deutsche Soldaten wurden verletzt.

Wieder ist eine Demonstration in Nordafghanistan außer Kontrolle geraten. Diesmal wurde ein kleines Lager der Bundeswehr in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Talokan zum Ziel eines gewalttätigen Mobs. Dabei wurden am Mittwoch zwei deutsche Soldaten verletzt, einer mittelschwer und einer leicht, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit. Ihr Zustand sei stabil. Die Verletzten würden nun im Bundeswehrlager versorgt.

Die Kundgebung in Talokan in der Provinz Tachar richtete sich gegen einen Nato-Angriff in der Region, bei dem es wenige Stunden zuvor vier Tote gegeben hatte. Die beiden deutschen Soldaten und vier afghanische Wachmänner seien verletzt worden, als Demonstranten Handgranaten und Molotowcocktails geworfen hätten, erklärte die Bundeswehr. An der vorausgegangenen Nato-Operation seien keine deutschen Kräfte beteiligt gewesen.

Die rund 1500 Demonstranten in Talokan riefen Schmährufe gegen die USA und den afghanischen Präsident Hamid Karsai. „Tod Karsai! Tod den USA!“ hieß es. Die Proteste, bei denen bis zu zwölf Menschen getötet wurden, schlugen in Gewalt um, als einige Demonstranten begannen, Läden zu plündern und Steine auf den Bundeswehrposten zu werfen. Es waren dann Schüsse zu hören. Ein Arzt erklärte, die getöteten Demonstranten hätten Schusswunden gehabt. Mehr als 80 Menschen seien verletzt worden, darunter auch einige Polizisten, erklärten die örtlichen Behörden.

Ein Demonstrant namens Abdul Khalik, der Verletzte ins Krankenhaus brachte, berichtete, zunächst habe die Polizei auf die Demonstranten geschossen. Dann seien deutsche Soldaten aus dem Camp gekommen. Khalik machte keine Angaben dazu, ob auch die Bundeswehr das Feuer eröffnete. Er sagte, manche Demonstranten seien bewaffnet gewesen. Die Polizei schoss nach Khaliks Angaben, als Aufrührer eine äußere Absperrung vor dem deutschen Lager in Brand steckten.

Die Demonstranten in Talokan warfen der Nato vor, vier Zivilisten getötet zu haben, zwei Männer und zwei Frauen. Ihre Leichen wurden durch die Straßen der Stadt getragen. Die Nato erklärte hingegen, bei dem Einsatz, der gemeinsam mit afghanischen Einheiten ausgeführt worden sei, seien vier Aufständische getötet worden, zwei weitere seien festgenommen worden. Man habe darauf geachtet, dass keine Zivilisten zu Schaden kommen. Die Aktion habe sich gegen Kämpfer der Islamischen Bewegung von Usbekistan gerichtet, die im Norden Afghanistans sehr einflussreich ist.

Afghanistans Staatschef Hamid Karsai verurteilte den Nato-Angriff scharf. Bei der Operation seien „vier Familienmitglieder“ getötet worden, hieß es in einer Erklärung Karsais. Der Vorfall werde ernsthaft untersucht; vom Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan, dem US-General David Petraeus, werde eine Stellungnahme verlangt.

Der Gouverneur der Provinz Tachar, Abdul Dschabar Takwa, erklärte, er sei über den Angriff nicht informiert worden. Es sei eine einseitige Aktion der Nato gewesen. Dem widersprach das Militärbündnis. Der Gouverneur sei vor dem Angriff informiert worden. Die Getöteten hätten Waffen gehabt und versucht, auf die Soldaten zu schießen.

Die Bundeswehr unterhält in Talokan nur ein kleines Camp – ein sogenanntes Provinz-Beratungsteam (Provincial Advisory Team/PAT) – mit rund 20 bis 25 Soldaten. Es ist eine Außenstelle des Regionalen Wiederaufbauteams Kundus. Talokan liegt zwischen Kundus und Faisabad, wo die Bundeswehr große Stützpunkte unterhält. Seit 1. Juni 2006 hat Deutschland im Rahmen der Afghanistan-Schutztruppe Isaf die Führung des Regionalkommandos Nord mit seinen neun Provinzen.

Bei einer gewaltsamen Demonstration in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif waren erst Anfang April vier nepalesische und drei europäische UN-Mitarbeiter von einem Mob getötet worden. Auch vier Demonstranten waren dabei ums Leben gekommen. Die Proteste hatten sich gegen eine Koran-Verbrennung in den USA gerichtet. (dpa/dapd/AFP)

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