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Nordafrika: Wähler in Tunesien ohne Auswahl

"Eine nette Fassade vor einer eisernen Diktatur." So beschreiben Oppositionelle und Menschenrechtler die Herrschaft von Staatschef Zine el Abidine Ben Ali im nordafrikanischen Touristenparadies Tunesien.

Madrid – Am Sonntag ließ sich Ben Ali, seit 22 Jahren der starke Mann in dem arabischen Staat ohne echte Demokratie und Meinungsfreiheit, zum fünften Male wählen. Daran, dass der frühere Offizier, der 1987 durch einen unblutigen Putsch an die Macht kam, bestätigt wird, gab es keinen Zweifel. Die Frage war am Sonntag nur, ob er sich wieder, wie früher, mit mehr als 90 Prozent der Stimmen zum Präsidenten küren ließ.

Unter den drei Gegenkandidaten befand sich nur ein Oppositionspolitiker, der 63-jährige Ahmed Ibrahim von der „Erneuerungsbewegung“. Er warf Ben Ali „Despotismus“ und „Korruption“ vor. Zur Strafe beschlagnahmte die politische Polizei Ibrahims Wahlmanifest und behinderte seinen Wahlkampf. Ein weiterer Oppositionsführer, Ahmed Nejib Chebbi (64), hatte seine Kandidatur zurückgezogen, weil „Freiheit sowie Transparenz“ fehlten und das Wahlergebnis ohnehin manipuliert sei. Die auch in Tunesien erstarkenden Islamisten waren nicht zugelassen, ihre Parteien sind verboten, ihre Anhänger werden verfolgt.

Am Sonntag wurde auch das tunesische Parlament gewählt, in dem aber ebenfalls, wie üblich, eine erdrückende Mehrheit für Ben Alis „Demokratische Verfassungsbewegung“ (RCD) erwartet wurde. Die RCD kontrolliert in Tunesien das gesamte öffentliche Leben: politische Institutionen, Gewerkschaften, die Wirtschaft, Betriebe und Universitäten. Hinzukommt ein allgegenwärtiger Polizei- und Spitzelapparat, der Tunesien den Ruf eingebracht hat, ein Überwachungsstaat zu sein. 

Ralph Schulze

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