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Nordirland: Sex wird politisch

Die nordirische Regierung droht an der Affäre der Frau von Ministerpräsident Robinson zu zerbrechen. Der Regierungschef nahm eine Auszeit, ob er ins Amt zurückkehrt, ist fraglich.

Der Wirbel um die Ehe des nordirischen Ministerpräsidenten Peter Robinson hat die Regierung in der britischen Provinz an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Besonders heikel sind dabei die Vorwürfe zum Finanzgebaren der nordirischen Familie Robinson; Peter ist Regierungschef und Unterhausabgeordneter, seine Frau Iris war bisher Unterhausabgeordnete, saß sowohl im nordirischen Parlament als auch im Gemeinderat des Belfaster Vorortes Castlereagh. Doch die Politiker fanden in letzter Minute ein Schlupfloch: Chefminister Robinson legte am Montag zunächst für sechs Wochen sein Regierungsamt nieder, um sich während dieser Auszeit um seine Familie kümmern zu können. Zwar widersprach die amtierende nordirische Ministerpräsidentin, Arlene Foster, am Tag darauf Spekulationen, Robinson könne nach der Sex- und Finanzaffäre seiner Frau endgültig von der politischen Bühne abtreten. Trotzdem ist die Rückkehr des Mannes, der jahrzehntelang die Aktentaschen des rabiaten Protestantenpfarrers Ian Paisley trug, alles andere als garantiert.

Die Affäre wird inzwischen auch zur Gefahr für die gesamte nordirische Regierung. Denn die Ämter des Chefministers und seines Stellvertreters, das derzeit von Martin McGuinness von der katholischen Sinn-Fein-Partei bekleidet wird, gehören zusammen wie siamesische Zwillinge. Fällt der eine, reißt er den anderen automatisch mit sich. Wäre Robinson ganz zurückgetreten, hätte die Sinn-Fein-Partei erneut einen Kandidaten für den Vizeposten nominieren müssen. Dafür hätte die Partei allerdings einen Preis gefordert. Sinn Fein war schon vor Weihnachten kurz davor, die Regierung zu sprengen. Es geht um den krönenden Schlussstein der nordirischen Selbstverwaltung, um die Übernahme der Verantwortung für Justiz und Polizei durch die nordirische Regierungskoalition. Bisher liegen diese Kompetenzen immer noch in London. Robinson hat in den letzten Monaten immer neue Ausflüchte und Vorwände gefunden, um den Transfer zu verzögern. Die Beziehungen zwischen den beiden wichtigsten Koalitionspartnern näherten sich dem Gefrierpunkt, denn die Zweifel an der elementaren Handlungsfähigkeit dieser Regierung entsprangen nicht der Paranoia der Sinn-Fein-Partei – sie lagen offen zutage.

Robinson, der Parteichef der protestantischen Democratic Unionist Party (DUP) bleibt und die Verhandlungshoheit für den Bereich der Justiz und Polizei behält, darf höchstens sechs Wochen lang „krankgeschrieben“ werden. Doch die Sinn-Fein-Partei will eine raschere Einigung. Trotzdem ist fraglich, ob es noch vor den britischen Neuwahlen, die im Mai erwartet werden, eine Lösung im Streit um Justiz und Polizei geben wird.

Seit Montag verhandeln die beiden Parteien wieder ernsthaft. Aber Robinson ist angeschlagen. Dabei geht es weniger darum, ob er wirklich die dubiosen Finanzgeschäfte seiner Frau genügend durchschaute. Weniger die vermeintliche Untätigkeit des Chefministers Robinson ist das Problem, sondern vielmehr der Ruch von Sex, Korruption, Extravaganz und Heuchelei, der die bisherige „Erste Familie“ jetzt umgibt. Iris hatte 2008 eine Affäre mit einem 39 Jahre jüngeren Metzgersohn. Sie überzeugte zwei prominente nordirische Baulöwen, dem jungen Mann Darlehen in der Höhe von 50 000 Pfund zu gewähren. Das Geld floss in ein Café des jungen Mannes, das er just von jener Belfaster Kommune mietete, die von Iris und anderen Mitgliedern der Familie Robinson seit Jahrzehnten wie eine Erbpfründe dominiert wird – Castlereagh. Iris sagte dem Gemeinderat nichts von ihrer Befangenheit, nichts von den 5000 Pfund, die sie in die eigene Tasche steckte, und nichts von ihrer Begünstigung. Als ihr Mann vor einem Jahr von den Darlehen – aber wohl noch nicht von der bereits abgeschlossenen Affäre – erfuhr, erzwang er eine ordentliche Rückzahlung. Erst vor neun Monaten flog die Liebesaffäre auf, worauf Iris offenbar einen Selbstmordversuch verübte. Sie ist nun in psychiatrischer Behandlung.

Mit ihren zahlreichen Ämtern und den damit verbundenen Spesen karrte die Familie Robinson bisher Steuergelder im Wert von mehr als 570 000 Pfund pro Jahr nach Hause. Wohnsitze in Belfast, London und Florida bezeugen den Wohlstand.

Für die fundamentalistisch-puritanischen Wähler der von Paisley gegründeten Democratic Unionist Party ist dieser Cocktail widerwärtig. Sie bauen auf alttestamentarische Einfachheiten. Deshalb lehnen viele von ihnen instinktiv auch die Koalition mit Sinn Fein ab. Denn sie halten die ehemaligen IRA-Kämpfer unverändert für Kriminelle.

Martin Alioth[Dublin]

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