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Hwang Pyong So, die Nummer zwei in Nordkorea, bei den Asienspielen. Foto: AFP

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Politik: Nordkorea geht auf den Süden zu

Bedeutende Annäherung angesichts großer Spannungen.

Bangkok - Nach monatelanger Eiszeit machen Süd- und Nordkorea einen wichtigen Schritt aufeinander zu. Bei einem überraschenden Besuch der inoffiziellen Nummer Zwei hinter Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, Hwang Pyong So, und anderen Spitzenfunktionären des Landes in Südkorea einigten sich beide Seiten am Samstag auf die Fortsetzung von „hochrangigen Gesprächen“. „Nordkorea erklärte, dass es den innerkoreanischen Dialog fortsetzen will“, teilte das Vereinigungsministerium in Seoul mit. Die hochrangigsten Kontakte zwischen beiden Seiten seit fünf Jahren kamen am Rande der Asien-Spiele in Inchon zustande.

Im Vorfeld war aus dem Norden selbst vom Wunsch nach Wiedervereinigung die Rede gewesen. „Ein Land, zwei Systeme“, lautete der verblüffende Vorschlag aus Pjöngjang. Fotos zeigten eine aufgeräumte Stimmung nach dem Arbeitslunch in Incheon. Der Handschlag zwischen Hwang, ein naher Vertrauter von Jungdiktator Kim Jong Un und die Nummer zwei des Regimes, und seinem südkoreanischen Gegenüber Kim Kwan Jin, dem höchsten Sicherheitsberater von Präsidentin Park, kann als kleinerer Durchbruch bezeichnet werden. Über den Inhalt der Gespräche in Incheon wurde nichts bekannt. Im Oktober oder November soll weiterdiskutiert werden, um „weitere Gesprächsrunden“ vorzubereiten.

Es ist unklar, weshalb der Norden ausgerechnet jetzt nach fast vierjähriger Pause neue Gespräche offeriert. Gegenseitige Anfeindungen hatten 2013 mit dem dritten Atomtest des Nordens und der Schließung der gemeinsamen Industriezone Kaesong ihren Höhepunkt erreicht. Ein Motiv, das das isolierte Regime mit der unverhofften Charmeoffensive verfolgen dürfte, könnte sein, sich vom Einfluss Chinas zu lösen.

Sicher ist lediglich, dass Nordkorea nie aus einer Position der Schwäche zu verhandeln gewillt ist. Trotz Sanktionen und weltpolitischer Isolation ist es dem Land in den vergangenen Jahren gelungen, die Versorgungslage und den allgemeinen Lebensstandard im Land etwas zu bessern. Sei es die generell erstarkte Wirtschaftslage oder der weitere Ausbau seiner nuklearen Abschreckung: Nordkorea hat in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht und neues Selbstvertrauen geschöpft, um am Verhandlungstisch mehr Zugeständnisse zu erzwingen, als dass man Kompromisse einzugehen bereit wäre. Erst der Ausbruch aus dieser Teufelsspirale würde zu wahrem Dialog und Annäherung führen.

Nicht, dass der Norden damit einen kompletten Sinneswandel vollzogen hätte. Noch vergangene Woche nannte er die südkoreanische Präsidentin eine „räudige Hündin“, weil sie die Besserung der Menschenrechtslage im Norden als Hauptpriorität ihrer Regierung bezeichnete. Im ständigen Auf und Ab der innerkoreanischen Beziehungen gab es immer wieder Hoffnungsschimmer, die jetzt womöglich von Dauer sein könnten.

Auf den Tribünen der Asienspiele waren „Sympathisanten“ des Nordens zu sehen, die Wiedervereinigungsfahnen schwenkten und entsprechende Slogans skandierten. Im Fußballfinale gegen den WM-Teilnehmer Südkorea verlor der Norden am Donnerstag knapp mit 0:1. Das Tor fiel in der letzten Minute der Nachspielzeit. Statt danach über den Süden herzuziehen, gab sich ein bitter enttäuschtes Pjöngjang für einmal als guter Verlierer – vielleicht schon mit den Gesprächen zur Abschlusszeremonie im Augenwinkel. Daniel Kestenholz

Daniel Kestenholz

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