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Kim Jong Un

© dpa

Nordkorea: Kommt der Wandel?

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un hat in einer Rede zum neuen Jahr „radikale Änderungen“ angekündigt. Folgen nun tatsächlich Reformen – und gibt es eine Annäherung an Südkorea?

Nordkoreas neuer Führer Kim Jong Un hat es wieder einmal in die weltweiten Schlagzeilen geschafft. Zum ersten Mal seit 19 Jahren verlas er eine Neujahrsansprache, die im Fernsehen übertragen wurde. Und schon fragen die Medien in aller Welt, ob er nicht Signale des Wandels in der letzten knallharten kommunistischen Diktatur aussende: Versprach Kim doch, die Wirtschaft zu stärken, die Beziehungen zu Südkorea zu verbessern und gar auf eine friedliche Wiedervereinigung des kommunistischen Nordens und des kapitalistischen Südens hinzuarbeiten.

Skepsis ist jedoch geboten. Im Vergleich zu seinem im Dezember 2011 verstorbenen Vater Kim Jong Il hat Kim-Junior zwar deutlich den Stil verändert. Er lässt Micky Maus auf Paraden auftreten. Und während sein Vater die Öffentlichkeit scheute, sucht der Sohn wie sein Großvater das Bad in der Menge. Er hat sogar seine Frau offen mit auf Tour genommen, ein Novum in Nordkorea. „Doch in der Substanz bleibt er der nordkoreanischen Politik treu“, sagt Daniel Pinkston, Nordkorea-Experte der International Crisis Group in Seoul. Erstens handelt es sich weiterhin um eine „extrem konzentrierte Diktatur“, meint Pinkston.

Es gebe zwar Raum für unterschiedliche Managementstile. „Aber die Struktur hat sich nicht groß geändert, seit Kim Jong Un an der Spitze steht“, so Pinkston. Zweitens war keines der Ziele von Kims Neujahrsansprache wirklich neu. Nordkoreas Führung verspricht seit Jahrzehnten, eine starke und prosperierende Nation aufzubauen. Drittens liegt die die Betonung dabei auf stark. Die Leitdoktrin ist weiterhin „das Militär zuerst“, wie Kim eindrucksvoll Mitte Dezember mit einer gezielten Provokation der Vereinten Nationen (UN) demonstrierte.

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ließ Kim eine Weltraumrakete starten, obwohl die Vereinten Nationen dem Land verboten haben, ballistische Raketen jeglicher Art zu testen. Der Norden besteht zwar darauf, dass es sich um zivile Nutzung handele. Aber die UN haben Weltraumraketen mit in das Verbot einbezogen, da die Technik grundsätzlich die gleiche wie bei atomaren Langstreckenraketen ist. Dieses Mal verschob der Test das militärische Gleichgewicht sogar ein wenig zugunsten Nordkoreas. Denn im Gegensatz zu den vorigen gescheiterten Versuchen schaffte es die Rakete ins All.

Bis die Technik zuverlässig genug ist, statt kleinen Satelliten auch schwere atomare Sprengköpfe gezielt zu verschießen, wird zwar noch einige Zeit ins Land gehen. Aber Nordkorea hat durch den Zugang zum All sehr wohl das Potenzial zu einer asymmetrischen Kriegsführung erlangt. Dafür müsste das Land nicht einmal einen Atomsprengkopf ins All schießen und zünden. Eine Fuhre Schrott reicht im Zweifel, um Satelliten in der Erdumlaufbahn zu beschädigen, warnen Experten.

Südkorea glaubt nicht an den Wandel

Das gesteigerte Selbstbewusstsein der Militärs macht daher wenig Hoffnung, dass Kim plötzlich Nordkoreas Provokationspolitik beenden wird. Zumal Nordkoreas Alliierter China seinem bettelarmen Nachbarn so schnell nicht den Geld- und Warenhahn zudrehen wird. Schließlich will Chinas Führung vor allem eines: den Kollaps seiner Pufferzone mit den US-Truppen in Südkorea verhindern.

Kurzfristig ist daher keine Krise von Kims Regime in Sicht. „Wirtschaftlich ist die Versorgung der Hauptstadt Pjöngjang deutlich besser als noch vor ein paar Jahren“, sagt Andrei Lankov, Nordkorea-Experte an der Kookmin-Universität in Seoul. Dank des regen Zuflusses aus China sind trotz Sanktionen Konsumelektronik aus Japan und Südkorea, Oberklasseautos aus Deutschland und Luxus aus aller Welt zu haben. Dazu gibt es mehr Restaurants und sogar ein nationales 3G-Handynetz.

Auch politisch scheint Kim fest im Sattel zu sitzen. Der Machtwechsel ging glatt über die Bühne. Die Militärführung wurde umfassend von Gefolgsleuten von Kims Vater Kim Jong Il gereinigt. Und die Regierung behält die Wirtschaft in der Hand. Eine Schattenwirtschaft wird toleriert, aber die Eigentumsverhältnisse werden nicht verändert.

Zudem legt der immer noch hohe innenpolitische Verfolgungsdruck nahe, dass die Machthaber ihre ganz persönliche Lehre aus der Perestroika von Michael Gorbatschow und dem folgenden Untergang der Sowjetunion gezogen haben: Demokratisierung kann rasch zum Sturz führen, konsequente Unterdrückung das Ende wenigstens verzögern.

Und so reagierten auch im anderen Teil der Halbinsel, in Südkorea, Politiker und Medien zurückhaltend auf die Rede des nordkoreanischen Machthabers. „Anders als in Deutschland haben die Menschen die Rede nicht als große Kehrtwende wahrgenommen“, sagt Bernhard Seliger, der für die CSU-nahe Hanns- Seidel-Stiftung in Seoul arbeitet und seit zehn Jahren Projekte in Süd- und Nordkorea betreut. Während sich das Land wirtschaftlich etwas öffne, würden die Sicherheitsvorkehrungen an den Grenzen erhöht, um die Menschen an der Flucht aus dem Land zu hindern, und die Strafen für Überläufer erhöht. „Das Problem ist, dass Kim Jong Un kaum eine wirkliche Lockerung veranlassen kann, ohne damit seine eigene Machtposition zu schwächen“, sagt Seliger. Je mehr die Nordkoreaner über den Süden und den dortigen Wohlstand erführen, desto stärker werde auch die Unzufriedenheit. Denn abgesehen von den zwei Millionen Menschen in der Hauptstadt gehe es den 20 Millionen auf dem Land nach wie vor extrem schlecht. Und was die Aussichten auf eine Wiedervereinigung der beiden Staaten anbelangt, ist Seliger ebenfalls überaus skeptisch. „Um mit Südkorea ins Gespräch zu kommen, müsste Kim Jong Un sehr viel stärker auf die Regierung zugehen“, meint der Asienexperte.

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