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Nordrhein-Westfalen: Die SPD mit Eifer, Grüne, Linke und FDP mit Bammel

Vier Wahlparteitage an einem Wochenende: Die Sozialdemokraten setzen ganz auf Hannelore Kraft, FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner setzt auf Endkampf. Die Grüne fürchten ein mageres Ergebnis, die Linken die Fünfprozenthürde.

Nordrhein-Westfalen wählt, die Parteien stellen ihre Listen auf. Bei der Technik zumindest lagen am Wochenende eindeutig die Grünen vorne. Während bei Sozialdemokraten, Liberalen und Linken die Stimmen jeweils traditionell in die Urne wanderten und per Hand ausgezählt werden mussten, vertrauten die Grünen auf die Elektronik. Unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Wahlgänge lagen die Ergebnisse bei ihnen schon vor, die Delegierten in Essen konnten per Knopfdruck mit Ja oder Nein votieren. Sie bescherten ihren Spitzenleuten so gute Ergebnisse, dass manch einer gleich zweimal hinschauen musste, um sich zu vergewissern, dass keine Sinnestäuschung vorlag. Die Grünen wählten ihre Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann mit satten 98,4 Prozent auf Listenplatz eins, was die so Geehrte fast sprachlos machte. „Und das hier bei uns Grünen“, schwärmte sie.

Bei Sozialdemokraten und Liberalen lagen die Ergebnisse in ähnlichen Regionen, die früher nur im anderen Teil Deutschlands an der Tagesordnung waren. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde von ihren sozialdemokratischen Parteifreunden mit 99,3 Prozent bestätigt, der neue liberale Hoffnungsträger Christian Lindner durfte sich gar über 394 von 395 abgegebenen Stimmen freuen.

Einzig bei der Linken musste sich die neue Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen mit rund 70 Prozent der Delegiertenstimmen zufriedengeben. Die Sprecherin der Landespartei hatte ihren Hut für etliche überraschend in den Ring geworfen und damit die beiden amtierenden Spitzenleute der Landtagsfraktion, Wolfgang Zimmermann und Bärbel Beuermann, geärgert, die gerne wieder auf Platz eins und zwei angetreten wären. Angesichts der schwachen Umfragewerte hoffen die Linken allerdings, mit der 39-Jährigen auch für jüngere Wähler attraktiver zu werden und über die Fünfprozenthürde zu rutschen.

Obwohl bisher kaum einer die Piraten in NRW kennt, arbeiteten sich die bisher im Parlament vertretenen Parteien intensiv an der neuen Konkurrenz ab. Besonders heftig fiel die Kritik von Lindner aus, der sich mächtig darüber ärgerte, dass die Piraten in der Öffentlichkeit gelegentlich schon als die neuen Liberalen bezeichnet werden. „Die sind alles, aber nicht liberal, die teilen vor allem zu und sind deshalb so eine Art Linkspartei mit Internetanschluss“, rief er unter dem Jubel seiner Anhänger. Vorher hatte er aufgezählt, was die Piraten von Tickets für Bus und Bahn bis hin zu kostenlosem Netzzugang alles verteilen wollen. Die Grünen leiden auch an den Piraten und werfen ihnen vor, inhaltlich auf fast allen Politikfeldern nur zu lavieren. Die Sozialdemokraten wählten einen anderen Weg: Kraft vermied jede direkte Attacke und bemühte sich, die eigene Affinität zum Netz herauszustreichen – etwa ihre Twitter-Botschaften.

Die Parteien gehen mit unterschiedlichen Aussichten in den kurzen Wahlkampf. Die Freien Demokraten wissen, dass sie am Abgrund stehen. „Die FDP wird gebraucht“, ist deshalb Lindners Kernargument, er stilisiert die Wahl am 13. Mai zu einer Art Endkampf um den organisierten Liberalismus in Deutschland hoch und arbeitet sich besonders an den Grünen ab. Die wiederum leiden darunter, dass ihr Zwischenhoch abklingt und sie sich darüber freuen können, wenn sie wie 2010 mit rund zwölf Prozent abschneiden. Wenn es trotzdem wieder für Rot-Grün reichen sollte, dürfte es dieses Mal den Sozialdemokraten zu verdanken sein. Deren Werte zieht Kraft in die Höhe, die Genossen träumen davon, wieder stärkste Kraft zu werden vor der CDU, die ihren Parteitag am Mittwoch abhält.

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