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Mehrheit noch gesucht. NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft.

© dpa

Nordrhein-Westfalen: Minderheitsregierung: Fünf Jahre oder fünf Monate

SPD und Grüne in NRW distanzieren sich von der Linken – auch wenn die wohl noch gebraucht wird.

Gerhard Papke blieb sich auch dieses Mal treu. Der Düsseldorfer Spitzenliberale ließ es sich nicht nehmen, als Erster mit markigen Worten die Ereignisse bei den politischen Mitbewerbern zu kommentieren. „Das ist ein trauriger Tag für Nordrhein-Westfalen“, schimpfte der FDP- Fraktionschef, weil sich die SPD-Landesvorsitzende nun „mit Hilfe von marxistischen Verfassungsgegnern ins Amt“ hieven lassen wolle. Mit diesen klaren Worten bremste Papke ein weiteres Mal den Versuch der beiden rot-grünen Frontfrauen aus, die am Wochenende erneut für ihre „Koalition der Einladung“ geworben hatten. Sowohl Hannelore Kraft (SPD) als auch Sylvia Löhrmann (Grüne) hatten bei Parteitreffen wortreich beschworen, sie wollten nicht nur mit der in ihren Augen unzuverlässigen Linken zusammenarbeiten, sondern würden noch immer auf CDU und FDP hoffen.

Damit setzt sich im größten Bundesland fort, was schon im Wahlkampf angelegt wurde. SPD und Grüne bleiben fest zusammen und werben um die bisherigen Regierungsparteien, die Linke signalisiert Unterstützung für Rot-Grün, wird aber verbal auf Distanz gehalten. „Die Linkspartei will Regierung und Opposition gleichzeitig“, heißt das in den Worten der designierten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, und auch bei den Grünen gibt es überwiegend kritische Töne zur linken Parlamentsfraktion im größten Bundesland. Und dennoch scheint inzwischen gesichert, dass Kraft spätestens im zweiten Wahlgang zur ersten Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens gewählt werden wird. „Wir wollen durch unsere Stimmenthaltung den Regierungswechsel ermöglichen“, beschlossen die Linken am Wochenende auf ihrem Parteitag in Leverkusen, sogar formal mit breiter Mehrheit.

Weil Enthaltungen bei dem Votum in Düsseldorf nicht gezählt werden und im zweiten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht, kann Hannelore Kraft inzwischen davon ausgehen, um die Mittagszeit am kommenden Mittwoch den Amtseid ablegen zu dürfen. Wie weit sie dann aber im Parlament kommt, ist noch nicht ausgemacht. „Fünf Monate oder fünf Jahre?“, lautet die inzwischen am häufigsten gestellte Frage in Düsseldorf. Hannelore Kraft und ihre Sozialdemokraten verbreiten unterdessen Optimismus und peilen eher fünf Jahre als wenige Monate an. „Mit Fundamentalopposition kommt man nicht weiter“, gibt Kraft CDU und FDP zu bedenken und verweist anschließend darauf, dass man zum Beispiel in der Schulpolitik nicht auf radikale Veränderung, sondern auf vorsichtige Weiterentwicklung des Systems setzt. „Wir wollen keinen Schulkrieg“, sagen Kraft und Löhrmann bei vielen Gelegenheiten und müssen sich intern dafür sogar rechtfertigen.

„Wir haben eben keine absolute Mehrheit für unsere Pläne bekommen“, ruft Kraft dem einen oder anderen zu, der die Gemeinschaftsschule gerne etwas schneller einführen möchte. Genau das kritisiert im Übrigen die Linke, der die Veränderungen im Bildungsbereich nicht radikal genug sind. Offene Kritik rufen solche Punkte allerdings nicht hervor.

Bei ihrem Parteitreffen in Köln feierten sich die Sozialdemokraten selbst, die designierte Ministerpräsidentin wurde geradezu frenetisch bejubelt. „Wer hätte das im September vorausgesagt“, sagte der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters in seiner Rede und erinnerte die Genossen noch einmal daran, mit welch geringen Erwartungen sie in die Landtagswahl gezogen waren.

Unterdessen ist Hannelore Kraft damit beschäftigt, den sozialdemokratischen Teil ihres Kabinetts zusammenzustellen. Sie selbst hat öffentlich bisher nur Guntram Schneider, den Landeschef des DGB, genannt, der Arbeitsminister werden soll. Ihr für Wirtschaft vorgesehener Kandidat Norbert Walter Borjans wird sich wohl um die Finanzen kümmern müssen. „Sie bastelt noch“, heißt es aus der SPD. Kraft wird die verschiedenen Kandidaten allerdings erst kurzfristig in ihre wahren Pläne einweihen – was auch damit zu tun, dass sie nicht berücksichtigten Parteifreunden keinen Anlass für ein Nein bei ihrer Wahl liefern will. „Sie glauben gar nicht, wer sich alles für ministrabel hält“, stöhnte Kraft kürzlich in einem unbeobachteten Moment.

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