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Pro-NRW-Chef Markus Beisicht.

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Update

Nordrhein-Westfalen: Salafisten planten Mordanschlag auf Pro-NRW-Chef

Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) am Mittwochmorgen mehrere Salafistenvereine verboten hat, wurde die Polizei in Nordrhein-Westfalen auch an anderer Stelle in der Szene aktiv: Sie hat einen Anschlag auf den Chef der rechtsextremen Partei Pro-NRW verhindert.

Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Morgen erst mehrer Salafisten-Vereine verboten hat, wurde die Polizei in Nordrhein-Westfalen an anderer Stelle in der Szene aktiv. Ermittler in NRW nahmen in der Nacht zu Mittwoch vier Personen aus der salafistischen Szene fest. Sie stehen im Verdacht, so heißt es im nordrhein-westfälischen Innenministerium, Gewalttaten gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Partei pro NRW geplant zu haben. Zwei Männer wurden in der Nähe des Wohnorts des Pro-NRW-Chefs Markus Beisicht in Leverkusen festgenommen. Weitere Festnahmen gab es in Essen und Bonn. Es sei davon auszugehen, heißt es, das ein Anschlag auf den Pro-NRW-Chef geplant gewesen sei. Die Ermittlungen gegen die Männer liefen demnach schon länger. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden Schusswaffen und Material beschlagnahmt, das sich zum Bau von Sprengstoff eignet, hieß es. Federführend bei dieser Aktion war die Polizei Essen und die Staatsanwaltschaft Dortmund, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Staatsschutzdelikte. Details zu der Aktion sollen in Kürze auf einer Pressekonferenz erläutert werden.

"Die Rechtsextremisten der Splitterpartei pro NRW schüren durch ihre schäbigen Hetzkampagnen gezielt Ausländerhass. Das ist erbärmlich und gefährlich für unser Land", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Hetze der Rechtsextremisten könne jedoch gewalttätiges Vorgehen von Salafisten nicht rechtfertigen. Gewalt sei kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. "Die meisten  bei uns lebenden Muslime sind friedlich und wollen mit extremistischen Salafisten nichts zu tun haben. Hier müssen wir genau unterscheiden", sagte Ralf Jäger.

In Sicherheitskreisen wird jedoch betont, dass die Festnahmen nicht in Zusammenhang mit den Razzien bei salafistischen Vereinen und den Verboten durch Bundesinnenminister Friedrich stünden. Irgendwann, so hieß es bereits am Mittwochmorgen in Sicherheitskreisen, ist ein bestimmtes Maß an Hetze, Propaganda erreicht. Bei den salafistischen Vereinen „DawaFFM“ und „Islamische Audios“ war es am Mittwoch soweit. Diese beiden Vereine wurden von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verboten, ebenso „An-Nussrah“, eine Teilorganisation der bereits 2012 verbotenen Gruppierung „Millatu Ibrahim“. Ihnen wird vorgeworfen, sich gegen die Werteordnung des Grundgesetzes zu wenden, das Rechtsstaatsprinzip abzulehnen, eine islamische Ordnung nach den Gesetzen der Scharia anzustreben und zur Gewalt gegen Andersgläubige aufzurufen, darunter Christen aber auch schiitische Muslime.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat mehrere Salafistenvereine verboten.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat mehrere Salafistenvereine verboten.

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Bei Razzien in Hessen und Nordrhein-Westfalen, an denen am Mittwoch 120 Beamte teilnahmen, wurden in einem Vereinsraum sowie in mehreren Wohnungen von Mitgliedern der verbotenen Organisationen Laptops, Mobiltelefone sowie Propagandamaterial sichergestellt. Die Durchsuchungen fanden in Frankfurt am Main sowie in Oberhausen, Gladbeck, Wuppertal und Solingen statt. Festnahmen gab es nicht, da sich die Aktion nicht gegen Personen gerichtet habe, wie es in Sicherheitskreisen hieß. Vielmehr sei es darum gegangen, Strukturen zu zerschlagen. Dennoch standen 20 Personen im Mittelpunkt, von denen 70 Prozent deutsche Staatsangehörige seien. Die anderen kämen aus Marokko, Jordanien, der Türkei, Indien und Bosnien. Die meisten seien im Alter zwischen 20 und 30 Jahren.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) lobte unterdessen das Vereinsverbot und die Durchsuchungen. „Das ist ein guter Tag für die Sicherheit in Deutschland“, sagte er. Und Innenminister Friedrich erläuterte: „Der Salafismus, so wie er von den heute verbotenen Vereinen vertreten wird, ist unvereinbar mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ Das Verbot und die Razzien seien auch Ausdruck des Bestrebens für ein tolerantes und respektvolles Miteinander in Deutschland. „Darum dienen die Verbote auch dem Schutz der übergroßen Zahl friedlicher Muslime. Sie dürfen nicht unter Konflikten leiden, die von Extremisten planvoll geschürt werden.“ Eine konkrete Anschlagsgefahr bestand laut Friedrich aber nicht.

Es sind Botschaften wie diese, die die Sicherheitsbehörden zum Handeln bewegt haben. In einem Video, das auf dem Youtube-Kanal des Salafisten-Vereins „DawaFFM“ abrufbar war, wird nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Salafisten in Bonn im Mai 2012, zu neuer Gewalt aufgerufen. In Sicherheitskreisen werden Auszüge aus dem Video wie folgt zitiert: „Bundesinnenminister Friedrich soll sich explizit, und Frau Merkel auch, ganz genau wissen, dass die ihre Bürger in Gefahr setzen, wenn sie das zulassen. Die Bürger, die deutschen Bürger und die, die in der Botschaft arbeiten, sind in Gefahr.“ Verwiesen wird auf deutsche Bürger in Ägypten, Tunesien und Marokko. Auf den Seiten von „DawaFFM“ habe sich beispielsweise auch der Kosovare Arid Uka, der im März 2011 im Alter von 21 Jahren am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss, radikalisieren lassen.

Insgesamt, so Maaßen, ist die Salafisten-Szene in Deutschland auf rund 4500 Personen angestiegen (3800 im Jahr 2011). Die Zahl der sogenannten Gefährder, also Personen aus der islamistischen Szene, wird auf 130 beziffert. Allerdings seien das nicht alles Salafisten. In Sicherheitskreisen heißt es, dass der Salafismus eine Art „Durchlauferhitzer“ sei auf dem Weg zur Radikalisierung und dem „Dschihad“. Personen, die im Mittelpunkt der aktuellen Razzien standen, gehörten aber nicht zu den 130 Gefährdern, sondern das seien „Hetzer und Propagandisten“.

Der BfV-Präsident gab zu, dass die salafistische Ideologie durch ein Vereinsverbot nicht zu verdrängen sei. „Aber wir machen es den Menschen schwer, ihre Ideologie auszuleben, indem wir die Strukturen zerstören.“ Das Verhalten der Vereinsmitglieder und Unterstützer nach dem Verbot sei sehr unterschiedlich. Einige distanzierten sich, andere setzten sich ins Ausland ab, wieder andere schlössen sich neuen Organisationen an. Derzeit seien aus ganz Europa zahlreiche Salafisten auf dem Weg Richtung Syrien. Die Zahl wird auf etwa 220 beziffert. Aus Deutschland kämen davon aber derzeit „weniger als 10 Personen“. Deutsche Salafisten zieht es eher nach Ägypten. Das sei eine Art „Drehscheibe“ für Dschihadisten auf dem Weg Richtung Mali oder eben Syrien. „Wir gehen davon aus, dass im vergangenen Jahr 60 Personen aus dem salafistischen oder teil-salafistischen Umfeld nach Ägypten ausgewandert sind“, sagte Friedrich. Es bestehe die Gefahr, dass sie von dort aus weiter in Krisengebiete ziehen oder später nach Deutschland zurückkehren könnten.

Es ist nicht das erste Vereinsverbot, das Friedrich gegen Vereine der Salafisten-Szene ausgesprochen hat. Bereits im Juni gab es großangelegte Razzien und Friedrich verbot damals die Vereinigung „Millatu Ibrahim“. Bereits damals wurde auch ein vereinsrechtliches Verfahren gegen „DawaFFM“ eingeleitet. Die Unterlagen und Erkenntnisse, die im vergangenen Juni beschlagnahmt wurden, nutzten die Ermittler nun für die aktuelle Aktion. Weiter Vereinsverbote sind nicht ausgeschlossen. „Der ein oder andere Verein macht sich schon sorgen“, heißt es in Sicherheitskreisen.

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