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Politik: Notfall im Vatikan

Erst herrschte Schweigen, dann wurde abgewiegelt – doch in Italien bangen viele um Johannes Paul II.

Es ist Dienstag, gegen 23 Uhr. Als aus dem römischen Gemelli-Krankenhaus die Nachricht sickert, Johannes Paul II. sei in die Notaufnahme eingeliefert worden, ist das für manche in Rom wie das Zeichen, auf das sie so lange gewartet haben. Seit Monaten, seit Jahren schon halten sich Fernsehteams aus aller Welt für den Tod des Papstes bereit, 24 Stunden am Tag; sie rangeln um die besten Foto-Plätze für den großen Ernstfall – jetzt scheint es so weit zu sein. Und auch wenn der Vatikan zuerst schweigt, so tröpfelt aus dem Belagerungsring um die Klinik bald heraus, was sich ereignet hat: Der Zustand des bald 85 Jahre alten Papstes, der seit Sonntag an einer Art Grippe leidet, hat sich am Dienstagabend plötzlich verschlimmert. Starker, reißender Husten; Krämpfe im Kehlkopf; die Rückkehr des tags zuvor verschwundenen Fiebers – für Renato Buzzonetti, den persönlichen Arzt des Papstes, war das Grund genug, sich über das Widerstreben seines Patienten hinwegzusetzen und ihn als Notfall in die Klinik zu bringen.

„Dringend“ sei diese Maßnahme gewesen, bestätigt dann auch Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls, und schon die Tatsache, dass er sich noch in der Nacht, in einem für die Zentrale der katholischen Kirche mehr als atemberaubenden Tempo, zu einer Erklärung hinreißen lässt, spricht Bände. Und vielsagend heißt es außerdem: „Heute besteht kein Grund zur Beunruhigung.“ Zuvor war noch abgewiegelt worden. Der Papst leide an Grippe, nicht weiter schlimm; derzeit liege mindestens ein Viertel der Römer flach. So beruhigend schrieben es auch die hauptberuflichen „Vaticanisti“ der italienischen Zeitungen. Und sie verwiesen darauf, dass der Papst seit langem wieder gelächelt habe, beim öffentlichen Angelus-Gebet am Sonntag. Da wollte er vom Fenster seines Arbeitszimmers aus eine weiße Friedenstaube in die Welt schicken. Doch der Taube gefiel es beim Absender besser, sie flog umgehend zurück, zur Verblüffung aller und zur sichtlichen Erheiterung des Papstes.

Auch in den Wochen zuvor hatte Johannes Paul II., immer beobachtet von Fernsehkameras und den Vatikan-Astrologen, keinerlei neue Anzeichen von Schwäche gezeigt. Seine Gesundheit, sagte man, habe sich „stabilisiert“. Doch man weiß, dass der Papst von zwölf Jahren Parkinson zermürbt ist, man spricht davon, dass er Wasser in der Lunge hat. Man hört bei jedem Wort, wie er keucht. „Einige Tage“, sagte Navarro-Valls, werde Johannes Paul in der Klinik bleiben. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi äußerte sich optimistisch. Er selbst werde ihn aber nicht am Krankenbett besuchen, da er den Genesungsprozess nicht stören wolle.

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