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NPD-Kundgebung in Hessen

© dpa

NPD und die "Peniskuchen"-Affäre: Chaos in der "Partei der Saubermänner"

Generalsekretär Marx stolperte über einen "Peniskuchen", Parteichef Apfel musste wegen einer Affäre um sexuelle Belästigung zurücktreten, der Hamburger Landeschef wird gefeuert. Im Schicksalsjahr 2014 rutscht die NPD ins Chaos - und setzt auf größtmögliche Provokation.

Von Frank Jansen

Er trägt gern mal einen schwarzen Hut mit breiter Krempe und gibt den Lebemann. Peter Marx setzt sich optisch von der Masse seiner eher proletarisch handfesten NPD-Kameraden ab. Doch nun hat der beleibte, 57-jährige Parteifunktionär das Bonvivant-Gehabe übertrieben. Eine frivole Party in einer Saarbrücker Kneipe, mit Kuchen in der Form eines männlichen Geschlechtsteils und in Anwesenheit eines früheren Porno-Sternchens, hat Marx den Posten des Generalsekretärs der Partei gekostet. Am Sonntag trat er bei einer Sitzung des Vorstands in Berlin zurück - „aus Verantwortungsbewusstsein“, wie es in einer Erklärung der NPD heißt. Damit ist innerhalb von vier Monaten ein weiterer Spitzenfunktionär wegen einer unappetitlichen Geschichte tief gefallen. Das Chaos in der Partei der selbst ernannten Saubermänner setzt sich fort.

Holger Apfel soll "jungen Kameraden" sexuell belästigt haben

Im Dezember hatte der damalige Parteichef und Vorsitzende der sächsischen Landtagsfraktion, Holger Apfel, angesichts des Vorwurfs der sexuellen Belästigung eines jungen Rechten alle Ämter niedergelegt und die NPD verlassen. Und nun ist Marx gestrauchelt. Ihm wurde auch zum Verhängnis, dass die ehemalige Erotikdame, Künstlername „Kitty Blair“, für die NPD bereits Werbung machen konnte, mit dem Slogan „Nationalismus darf auch sexy sein“. Obwohl die Frau in einem ihrer Streifen einem dunkelhäutigen Mann sehr nahe gekommen war. Doch Sex mit einem „Neger“ – das geht für viele NPD-Anhänger gar nicht. Jetzt wurde Marx abgestraft.

Und noch eine weitere Personalquerele wurde an diesem Montag bekannt: Einem Bericht von "Spiegel Online" zufolge hat der Bundesvorstand der NPD den Hamburger Landeschef Thomas Wulff seines Amtes enthoben - und das mit sofortiger Wirkung. Wulff habe "wiederholt und schwerwiegend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen", hieß es zur Begründung. Dem Bericht zufolge soll sich der Politiker auf einer Parteiveranstaltung als Nationalsozialist bezeichnet haben.

Schicksalsjahr für die NPD

Peter Marx ist als Generalsekretär der NPD zurückgetreten.
Peter Marx ist als Generalsekretär der NPD zurückgetreten.

© Imago

Die Affären machen der NPD ausgerechnet in einer Art Schicksalsjahr zu schaffen. Beim Bundesverfassungsgericht ist das vom Bundesrat angestrengte Verbotsverfahren anhängig. Außerdem haben die anstehenden Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und neun weiteren Ländern sowie die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fast schon existenzielle Bedeutung für die Partei. Fliegt sie in Sachsen aus dem Landtag, bliebe ihr nur noch die Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern. Dort kam sie jedoch bei einer Umfrage im März nur noch auf 1,1 Prozent. In Sachsen waren es im vergangenen Monat mal ein Prozent, mal vier. Zudem sinkt bundesweit die Zahl der Mitglieder - nach Informationen des Tagesspiegels sind es derzeit 5400.

NPD setzt auf größtmögliche Provokation

Um die trübe Stimmung zu überdröhnen, setzt die NPD auf das übliche Rezept der größtmöglichen Provokation, vor allem in Berlin. Der für den 26. April angekündigte „Spaziergang“ durch Kreuzberg und der geplante Aufmarsch am 1. Mai in Neukölln sind extrem krawallträchtig. Das ist einkalkuliert. So lassen sich intern die Reihen schließen und die flauen Zukunftsaussichten verdrängen. 

Große Hoffnung setzt die NPD zudem auf die Europawahl am 25. Mai. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde gekippt hat, sieht sich die Partei schon mit einem oder zwei Abgeordneten im Straßburger Parlament. Und genau hier könnte zu beobachten sein, wer parteiintern vom Chaos profitiert.

Udo Voigt kämpft für seinen Wiederaufstieg

Als Spitzenkandidat bei der Europawahl tritt der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt an. Er setzte sich im Januar bei der Kandidatenkür gegen NPD-Chef Udo Pastörs durch, der auch die Fraktion im Schweriner Landtag führt. Pastörs ist nun zusätzlich durch die Affäre um Peter Marx geschwächt. Der war Pastörs lange als Geschäftsführer der Landtagsfraktion zur Hand gegangen. Deshalb zögerte Pastörs, Marx als Generalsekretär der Bundespartei fallen zu lassen. In der NPD gibt es nun Stimmen, die Pastörs Führungsschwäche vorhalten. Das nützt Udo Voigt, der schon lange an seinem Wiederaufstieg arbeitet und der Marx zu seinen Gegnern zählte.

Sollte Voigt am 25. Mai ins Europaparlament einziehen, wird er vermutlich mit einem strahlenden Lächeln beim nächsten Bundesparteitag für den Posten des Vorsitzenden kandidieren. Für Pastörs keine angenehme Perspektive. Er muss befürchten, dass er im 50. Jahr des Bestehens der NPD bittere Niederlagen bei Kommunal- und Landtagswahlen zu verantworten hat – und den Posten des NPD-Chefs verliert. Mit einem Wechsel zu Voigt, wie Pastörs Anfang 60, wäre allerdings fraglich, ob der überfällige Generationenwechsel in der Parteispitze gelingt. Dafür kämen zwei Funktionäre in Frage, die ironischerweise wie Peter Marx politisch vornehmlich im Saarland beheimatet sind. NPD-Bundessprecher Frank Franz und der Anwalt Peter Richter, der die Partei im Verbotsverfahren vertritt, sind junge Gesichter. Dass sie den altbacken bräunlichen Kurs der NPD ändern würden, erscheint allerdings fraglich. 

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