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Politik: NPD will Staatsgelder für Propaganda

In Sachsen plant die Partei, ihr Bildungswerk fördern zu lassen – ab 2009 könnte das möglich werden

Von Matthias Schlegel

Berlin - Der Streit über die wirkungsvollste Auseinandersetzung mit der NPD hat neue Nahrung bekommen: Die rechtsextreme Partei kündigte an, ganz legal mit Steuergeldern ihre öffentliche Bildungsarbeit ausbauen zu wollen. Ein sächsischer NPD-Sprecher sagte dem „Focus“, die Dresdner Landtagsfraktion wolle „demnächst“ für das bereits gegründete „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ einen Antrag auf öffentliche Förderung stellen. Nach geltendem Recht hätte die NPD beim Wiedereinzug in den Landtag 2009 Anspruch auf Staatsgeld für ihr Bildungswerk.

Ihr das nach derzeitiger Gesetzeslage zu verwehren, dürfte schwierig sein. Der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse von der Uni Chemnitz sieht dafür „keine Chance“. Dennoch rechnet Jesse im Gespräch mit dem Tagesspiegel nicht damit, dass die Partei überhaupt in die Lage kommt, diese öffentliche Förderung zu beanspruchen: „Die NPD wird 2009 nicht wieder in den Sächsischen Landtag einziehen.“ Die Gründe dafür sieht Jesse in der Partei selbst. Sie habe mit dem Unfalltod von Uwe Leichsenring ihre regional verwurzelte Leitfigur verloren. Die Partei habe durch die Austritte von drei Fraktionsmitgliedern und die schlechte Außenwirkung der Fraktion in Sachsen ihre Strukturen eingebüßt und „massiv an Einfluss verloren“. Ihr jetzt gesetzliche Riegel vorzuschieben, hält Jesse nicht für sinnvoll, weil es die NPD nur aufwerte.

Dennoch, die Politiker sind alarmiert. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer schlägt vor, das Anrecht auf Förderung einer Stiftung erst nach zwei Legislaturperioden im Landtag gelten zu lassen. Der Hamburger Staatsrechtler Hans Peter Bull hält eine solche Gesetzesänderung für verfassungsfest: „Wenn die Hürden für alle Parteien angehoben würden, dann wäre dies ein möglicher Weg“, sagte er dem „Focus“.

Jesse ist anderer Meinung. Die Auseinandersetzung mit der NPD müsse sich auf der inhaltlich-politischen Ebene vollziehen. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung unter Politikern und Wissenschaftlern ist Jesse gar der Überzeugung, dass die Partei von den Medien nicht geschnitten, sondern vorgeführt werden müsse. Würden sie intelligent befragt, entlarvten sich ihre Protagonisten selbst. Denn die NPD-Funktionäre seien „der Gratwanderung in der Öffentlichkeit nicht gewachsen: einerseits mit ihren rechtsextremen Ansichten die Hardliner in den eigenen Reihen zu befriedigen und andererseits die Bevölkerung mit ihren Parolen nicht abzuschrecken“. Im sächsischen Parlament seien von den anderen Parteien am Anfang viele Fehler gemacht worden. „Es ist absurd, den NPD-Rednern den Rücken zuzukehren“, sagt er. Inzwischen habe man aber dazugelernt.

Dass der Vorstoß der NPD die Debatte um einen erneuten Verbotsantrag beleben könnte, glaubt der Politikwissenschaftler nicht: Zwar sei die Partei extrem genug, um sie verbieten zu können. Doch weil ein Verbotsantrag nur Erfolg haben könnte, wenn man alle V-Leute aus der NPD-Szene zurückziehe, sei die Hoffnung auf einen erneuten Anlauf naiv. Der letzte Verbotsantrag war in Karlsruhe daran gescheitert, dass darin verwendete Aussagen von V-Leuten stammten.

Im Dresdner Parlament haben Koalitions- und Oppositionsparteien mittlerweile gemeinsam ihren Kurs im Umgang mit der NPD gefunden. Sie ziehen oft alle Register des parlamentarischen Regelwerks – worauf sich auch die NPD mittlerweile gut versteht. So beantragt die Partei fast zu jeder Sitzung Untersuchungsausschüsse. Dadurch rückt das Thema automatisch an die Spitze der Tagesordnung. Mit einer Ausnahme: Regierungsmitglieder dürfen außerhalb der Tagesordnung sprechen. Deshalb sind die ersten Redner im Dresdner Landtag häufig Minister.

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