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Politik: NRW-Premier legt Papier zur Orientierung im 21. Jahrhundert vor

Wolfgang Clement verfolgte die Debatte schweigend. Sowohl im Präsidium wie im Parteirat mühten sich die Debattenredner, das Desaster der letzten Wahlen zu analysieren, ohne dass irgendein neuer Gedanke aufgetaucht ist.

Wolfgang Clement verfolgte die Debatte schweigend. Sowohl im Präsidium wie im Parteirat mühten sich die Debattenredner, das Desaster der letzten Wahlen zu analysieren, ohne dass irgendein neuer Gedanke aufgetaucht ist. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident ist da weiter: Er hat an diesem Wochenende letzte Korrekturen an einem 59-seitigen Papier vorgenommen, das "Orientierung für unser Land im 21. Jahrhundert" geben soll.

Weil er die parteiinterne Debatte kennt, beginnt er mit einer Art Entschuldigung. Freiheit und soziale Gerechtigkeit stellt er als Leitprinzipien vor seine Überlegungen und fügt dann hinzu: "Diese Werte sind nach wie vor die Grundlage unseres Handelns." Anschließend versucht er die schwierige Gratwanderung zwischen den Polen Flexibilität und Solidarität, wobei er seinen Lesern gleich zu Beginn viele Illusionen raubt. "Wir leben in einer Epoche, in der die Internationalisierung rascher voranschreitet denn je zuvor." Beständig ist nach seiner Ansicht nur der Wandel, auf den sich die Gesellschaft vorbereiten muß, wenn sie nicht Anschluß an die internationalen Entwicklungen verlieren will.

Während die Diskussion über den Wert der sozialen Sicherheit läuft, gibt Clement hier eine offene Antwort, die manchen traditionellen Sozialpolitiker erzürnen wird: "Wir müssen Chancengleichheit sichern, gerade weil wir immer weniger Verteilungsgleichheit gewährleisten können."

Diese Chancengleichheit beginnt für Clement mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit:"Nur Erfolge auf dem Arbeitsmarkt sichern Chancengleichheit und Sozialsysteme langfristig". Im Gegensatz zu vielen anderen Papieren in seiner SPD beschäftigt sich das Clement-Papier sich ausführlich mit den Bedingungen für neue Arbeit. "Wir haben realistische Chancen für ein Job-Wunder", glaubt Clement. Einen erheblichen Teil des tiefgreifenden Strukturwandels hat das größte Bundesland demnach hinter sich gelassen, es haben sich Netzwerke von stabilen Industrie- und Dienstleistungskulturen gebildet. Clement hält die Chemiestandorte Köln/Leverkusen für international konkurrenzfähig, er verweist auf den hohen Standart des boomenden Mediensektors zwischen Köln und Düsseldorf, in dem längst mehr als 200 000 Menschen Arbeit finden.

Clement will diesen Weg fortsetzen und setzt darauf, dass der Gründungsboom anhält. Schon zwischen 1996 und 1998 sind in neuen Betrieben insgesamt 650 000 neue Arbeitsplätze entstanden oder gesichert worden, dabei hat die Landespolitik mit ihren Initiativen geholfen. Der Düsseldorfer Ministerpräsident will die Gründungsoffensive zu einer Mittelstandsoffensive ausweiten und dabei vor allem auf Dienstleistungen setzen. Mit seinen Modellversuchen im Niedriglohnsektor und flexibleren Arbeitszeiten will er "die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt verbreitern".

Neue Programme will Clement ausdrücklich an europäischen Erfahrungen in Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich messen. Er will die Verwaltung weiter modernisieren und darauf achten, dass "Reden und Handeln" übereinstimmen. Daran wird er bei der parteiinternen Debatte in Berlin häufig gedacht haben.

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