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Demjanjuk

© dpa

NS-Kriegsverbrechen: Wie krank ist Demjanjuk?

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist in München angekommen und wird in das Gefängnis Stadelheim gebracht. Sein Gesundheitszustand bleibt umstritten.

Monatelang hatte er sich gewehrt, Gerichte angerufen, Atteste von seinen Ärzten vorgelegt, gedroht Deutschland zu verklagen, doch der Kampf gegen die Auslieferung war vergebens. Am Dienstagmorgen um kurz nach 9 Uhr landete ein Privatjet auf dem Flughafen München, an Bord waren John Demjanjuk, sein Arzt und ein Pfleger.

In München soll John Demjanuk der Prozess gemacht werden, doch ob es tatsächlich zu einem Verfahren vor dem Landgericht kommen wird, ist unklar. Demjanjuks Anwälte und die Ankläger streiten darüber, wie schwer krank der 89-Jährige tatsächlich ist.

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Sein Sohn sagte, dass sein Vater an Leukämie leide und bereits eine Nierenkolik erlitten habe. Ein Gnadengesuch der Familie, das die Auslieferung nach München verhindern sollte, wurde von amerikanischen und deutschen Gerichten jedoch abgelehnt. US-Fernsehsender hatten in den vergangenen Tagen Videoaufnahmen des 89-Jährigen ausgestrahlt, die Demjanjuk alleine bei einer Einkaufsfahrt zeigten.

Demjanjuks Anwalt Günther Maull bezweifelt, dass sein Mandant verhandlungsfähig sei. Wenn das Verfahren wegen dem schlechten Gesundheitszustand des Rentners nicht zustande käme, müsse der deutsche Steuerzahler künftig für Demjanjuk aufkommen. "Amerika nimmt ihn nicht zurück. Er ist staatenlos, es will ihn keiner haben", sagte Maull, der Demjanjuk als Pflichtverteidiger vertritt. Seine Anwälte in den USA hatten vor der Ausreise gesagt, dass Demjanjuk nicht flugfähig sei. Mediziner untersuchten ihn im Auftrag der Behörden und attestierten ihm eine ausreichende Reisetauglichkeit.

Nach der Ankunft am Flughafen München wurde Demjanjuk von Ärzten untersucht. "Sein Gesundheitszustand ist so gut, dass ein Transport angemessen ist", sagte der Münchner Oberstaatsanwalt Anton E. Winkler. Demjanjuk wurde in die Justizvollzugsanstalt Stadelheim gebracht. Dort liegt er nun auf der Krankenstation und wird weiter behandelt. In dem Gefängnis wird ihm ein Haftrichter den Haftbefehl eröffnen. Ein Dolmetscher wird dann übersetzen. Ob Demjanjuks Gesundheitszustand dafür heute ausreicht, ist unklar. "Es kann auch sein, dass der Haftrichter erst morgen auf Demjanjuk trifft", sagt Winkler. Demjanjuk solle nicht überanstrengt werden.

Der 89-Jährige soll schwer krank sein. Er wurde mit einem Krankenwagen aus seinem Haus in Seven Hill bei Cleveland im Bundesstaat Ohio abgeholt. Amerikanische Radiosender berichteten, dass Demjanjuk über heftige Schmerzen klagte und laut stöhnte.

John Demjanjuk steht auf der Fahndungsliste des Simon-Wiesenthal-Zentrums ganz oben. Die Nazi-Jäger haben erleichtert auf das Ende des zähen Rechtstreits Demjanjuks gegen die amerikanischen Behörden reagiert und begrüßten die Auslieferung. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem, amerikanische Juristen und die Münchner Staatsanwaltschaft werfen John Demjanjuk vor, Beihilfe an der Ermordung von 29.000 Juden im NS-Vernichtungslager Sobibor geleistet zu haben. Dort soll der in der Ukraine als Ivan Demjanjuk geborene 89-Jährige 1943 Dienst getan haben.

Da es keine Zeugen gibt, wird ein Stück Papier den Ausgang des Prozesses bestimmen. Entscheidend in dem Verfahren gegen John Demjanjuk wird sein, ob das Gericht die Echtheit eines SS-Dienstausweises anerkennt. Experten des bayerischen Landeskriminalamts haben das Dokument von der US-amerikanischen Behörde "Office of Special Investigations" erhalten. Der Dienstausweis mit der Nummer 1393 belegt, dass ein John Demjanjuk vom 27. März bis Ende September 1943 zur Wachmannschaft des Vernichtungslagers Sobibor gehörte.

Die Ermittler der Fahndungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg haben weitere Beweise für Demjanjuks Schuld gesammelt und mehrere Hundert Seiten zusammengetragen, sagt dessen Leiter Kurt Schrimm. Die Behörde recherchierte zudem die Namen und Nummern von 29.000 KZ-Häftlingen, die in den Monaten, die Demjanjuk sicher in Soribor war, dort ermordet wurden.

Demjanjuk erklärt sich für unschuldig, einer seiner amerikanischen Anwälte behauptete, der Ausweis sei eine Fälschung. Russische Geheimdienste wollten sich an seinem Mandanten rächen.

Mehrere Mitglieder der Wachmannschaft aus Sobibor wurden bereits 1966 verurteilt. Im westfälischen Hagen standen zehn Männer vor Gericht. Ein Angeklagter erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe, fünf ehemalige SS-Männer bekamen Strafen zwischen drei und acht Jahren Gefängnis, ein Angeklagter beging Selbstmord und vier wurden freigesprochen. 1970 verurteilten Richter auch den Lagerkommandant Franz Stangl zu lebenslänglicher Haft. Er starb im Gefängnis. Die Familie von John Demjanjuk befürchtet, dass dies auch auf den 89-Jährigen zukommt, sollte er verurteilt werden.

(ZEIT ONLINE)

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