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Wer wusste was? Beim BND wehrt man sich gegen die Vorwürfe des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Die Kooperation mit den USA sei zwar eng, heißt es, vom Ausspähprogramm „Prism“ hätten deutsche Dienste aber nichts gewusst.

© Reuters

NSA-Abhöraffäre: Bekannte Unbekannte

Die Bundesregierung spielt in der Abhöraffäre mit den USA auf Zeit, Gespräche, die Aufklärung bringen könnten, sollen in der kommenden Woche starten. Dass deutsche Institutionen abgehört werden, ist aber eigentlich längst bekannt. Experten verweisen auf frühere Fälle.

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Man muss nehmen, was man kriegt. Und wenn keine Erkenntnisse zu gewinnen sind, dann vielleicht wenigstens Zeit. So verhält sich derzeit die Bundesregierung bei der Aufklärung der Spionagevorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst NSA. Konkrete Antworten auf die Frage, ob der NSA tatsächlich Wanzen in EU-Einrichtungen oder möglicherweise sogar in deutschen Einrichtungen installiert hat oder ob wirklich monatlich eine halbe Milliarde deutsche Telekommunikationsdaten gespeichert und ausgewertet werden, gibt es nicht.

Dafür aber einen organisierten Prozess, wie man Gespräche, von denen man sich Aufklärung erhofft, organisiert. So sei beispielsweise auch Ziel des Gesprächs zwischen Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama gewesen, „den Gesprächsprozess zu organisieren“, sagte Seibert. Briefe und Fragenkataloge, die vom Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium an die Amerikaner verschickt wurden, sind bis heute unbeantwortet. Aber, so heißt es nun, der Gesprächsprozess beginne ja erst in dieser Woche. Eine hochrangige Regierungsdelegation fliegt zuerst nach Washington, anschließend reist Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hinterher. Nur, wer genau mit wem spricht, ist entweder streng geheim oder schlicht unklar. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte nur: „Es wird Gespräche auf politischer Ebene geben.“ Auch ist die Erwartung, dass diese Gespräche finale Ergebnisse liefern, gering. „Es werden wohl nicht die letzten Gespräche sein“, baut Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag schon vor.

Während die Bundesregierung auf Zeit spielt, gerät die Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der NSA in den Fokus. Edward Snowden, der die Debatte mit seinen Enthüllungen ins Rollen gebracht hatte, hat in einem Interview behauptet, dass die Deutschen mit dem NSA „unter einer Decke“ steckten. Sicherheitskreise halten die Vorwürfe Snowdens für überzogen. Der BND habe dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages ausführlich über seine Kontakte zu NSA und anderen Geheimdiensten berichtet, hieß es. Dass der BND vom Ausspähprogramm „Prism“ gewusst habe, sei „absoluter Blödsinn“. Die Amerikaner sagten den Deutschen prinzipiell nicht, woher sie ihre Informationen bekommen. Dass die NSA in der Bundesrepublik wie auch in anderen Staaten großflächig abhört, sagen deutsche Sicherheitsexperten schon seit Jahren. Nicht nur wegen der NSA, sondern angesichts der Gefahr von Spionage durch ausländische Geheimdienste überhaupt empfehlen die deutschen Nachrichtendienste den Politikern, bei Telefonaten und SMS über offene Leitungen vorsichtig zu sein. Man wisse nie, wer im Äther dabei sei, hieß es.

Dass US-Geheimdienste in Deutschland auch Wirtschaftsspionage betreiben, ist ebenfalls bekannt. In den 1990er Jahren sei ein CIA-Mann aufgefallen, der offenbar einen Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums abschöpfen wollte. Das sei unterbunden worden, der CIA-Mann habe im Rahmen einer „stillen Lösung“ die Bundesrepublik verlassen müssen, sagten Experten. Einige sprachen sogar von mehreren CIA-Leuten, die wegen mutmaßlicher Wirtschaftsspionage aus Deutschland hinauskomplimentiert worden seien. Das Verhältnis der deutschen Nachrichtendienste zu den US-Kollegen gilt dennoch als gut, aber auch geprägt von Abhängigkeit.

Ohne die US-Dienste wüssten die deutschen Sicherheitsbehörden erheblich weniger über bedrohlichen Aktivitäten des globalen islamistischen Terrornetzes. „Wir sind bei der Terrorabwehr weit mehr auf die Amerikaner angewiesen als sie auf uns“, sagte ein Experte.

Hätte die NSA nicht die Telekommunikation von Mitgliedern der in der pakistanischen Terrorhochburg Waziristan agierenden „Islamischen Dschihad Union“ mit Kontaktleuten in Europa überwacht, wären die Deutschen möglicherweise von Anschlägen der Sauerlandgruppe überrascht worden. Erst nach einem US-Hinweis kamen Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt den zum Teil deutschen Terroristen auf die Spur. Die Sauerlandgruppe wollte Anschläge mit Autobomben verüben.

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