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Edward Snowden und Hans-Christian Ströbele

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Update

NSA-Enthüllungen: Snowden kann sich vorstellen, nach Deutschland zu kommen

Der Whistleblower Edward Snowden würde unter Umständen in Deutschland aussagen, berichtet Christian Ströbele nach seinem Besuch in Moskau. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung kritisiert die deutschen Behörden in dem Fall.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), fordert, den Whistleblower Edward Snowden in Deutschland zu empfangen und ihn vor einer Auslieferung an die USA zu schützen. "Deutschland sollte Snowden freies Geleit geben, wenn ihn der Bundestag oder andere Institutionen anhören wollen", sagte Löning dem "Tagesspiegel". Selbstverständlich müsse er dann vor einer Auslieferung an die USA geschützt werden.

"Ich wundere mich sehr, dass die deutschen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage sind, zu Art und Umfang von Ausspähungen belastbare Angaben zu machen", sagte Löning weiter. "Wenn sich die Angaben bewahrheiten, geht es um eine schwere Verletzung der Bürgerrechte von Deutschen und von anderen Europäern durch amerikanische Behörden. Die Bundesanwaltschaft und deutsche Sicherheitsbehörden hätten von sich aus den Kontakt mit Snowden aufnehmen und nicht warten sollen, bis ihnen das ein Bundestagsabgeordneter abnimmt.“

Menschenrechtsbeauftragter fordert Snowden zu schützen

Auf die Frage, ob eine Vernehmung von Snowden durch Bundesregierung, Bundestag oder deutsche Behörden das Verhältnis zu den USA belasten würde sagte der Menschenrechtsbeauftragte: „Es ist Aufgabe der Bundesregierung, des Bundestages und der Behörden, die Rechte der Deutschen zu schützen. Dieser Anspruch muss auch gegen Staaten durchgesetzt werden, denen eine Vernehmung Snowdens nicht gefällt. Wenn einer die transatlantischen Beziehungen belastet hat, dann sind das die Amerikaner mit ihrer offenbar völlig maßlosen Überwachungsorgie. Das ist zunächst mal kein deutsches oder europäisches Problem, sondern vor allem ein amerikanisches.“

Edward Snowden würde in Deutschland aussagen

Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden will nach Angaben des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele möglichst nicht vor deutschen Vertretern auf russischem Boden aussagen. „Da hat er bisher erhebliche Vorbehalte, die ich nicht näher erklären darf oder will“, sagte Ströbele, der Snowden am Donnerstag überraschend in Russland getroffen hatte, am Freitag in Berlin.

Ströbele betonte, Snowden sei aber offen für andere Varianten: „Er kann sich vorstellen, nach Deutschland zu kommen.“ Dazu müsse allerdings gesichert sein, dass Snowden danach in Deutschland oder in einem vergleichbaren Land bleiben könne und dort in Sicherheit sei. Ströbele präsentierte bei einer Pressekonferenz auch einen Brief von Snowden an die Bundesregierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt nach Auskunft von Regierungssprecher Steffen Seibert dieser Brief noch nicht vor. An der Haltung der Bundesregierung, Informationen nachzugehen und die Aufklärung "mit Nachdruck" voranzutreiben, habe sich nichts geändert. Inzwischen ist der Brief aber auch im Internet abrufbar. Seibert wollte das Treffen von Ströbele mit Snowden nicht bewerten. Er verwies auf die Ausübung des freien Mandats des Bundestagsabgeordneten Ströbele.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, dass man gespannt und neugierig sei, was Snowden der Bundesregierung geschrieben habe. Es gebe derzeit aber keine Bemühungen um eine aktive Kontaktaufnahme mit Snowden.

Edward Snowden kann vernommen werden

Seibert erklärte, dass es "sehr komplexe rechtliche Fragen" in Zusammenhang mit Snowden zu klären seien. Der Prozess sei in Gang. Laut Bundesjustizministerium liegt seit dem 3. Juli ein Festnahmeersuchen der USA für Edward Snowden vor. Allerdings heiße das nicht, dass Snowden bei einer Vernehmung automatisch verhaftet würde. Im Gegenteil. Eine Zeugenvernehmung sei eine ganz andere Sache. Als Zeuge könne Snowden vom Generalbundesanwalt vernommen werden oder auch von einem Bundestags-Untersuchungsausschuss. Notwendig dafür sei eine ladungsfähige Anschrift und die Kooperation von Seiten Russlands. Dem Bundesinnenministerium zufolge steht aber einer Vernehmung Snowdens in Russland nichts entgegen. Die Frage nach Asyl für Snowden in Deutschland stelle sich derzeit aber nicht.

Bundesinnenminister Friedrich offen für Informationen von Snowden

Zuvor hatte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) offen für Informationen von US-Enthüller Edward Snowden gezeigt. "Wenn er uns etwas sagen will, dann nehmen wir das auf." Man sei dankbar, wenn es irgendwelche Informationen gäbe. "Wir werden Möglichkeiten finden, wenn Herr Snowden bereit ist, mit deutschen Behörden zu sprechen, dieses Gespräch auch stattfinden zu lassen", sagte Friedrich zum Auftakt der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe "Innen und Justiz" der Koalitionsverhandlungen.

Eine weitere Bewertung des Treffens von Hans-Christian Ströbele (Grüne) mit Snowden in Moskau wollte Friedrich nicht vornehmen.

Ströbele soll im Parlamentarischen Kontrollgremium befragt werden

Thomas Oppermann, SPD-Parlamentsgeschäftsführer und Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, zollte Ströbele "Respekt, dass es ihm gelungen ist, Snowden zu treffen". Oppermann befürwortet ein Gespräch mit Snowden, wenn dieses den von den USA per Haftbefehl gesuchten Ex-Geheimdienstmitarbeiter nicht in Schwierigkeiten bringt oder damit das deutsch-amerikanische Verhältnis ruiniert werde.

Ströbele soll laut Oppermann auch vom Parlamentarischen Kontrollgremium, dem Oppermann vorsitzt, vernommen werden. "Ströbele ist jetzt nicht nur Aufklärer, sondern auch Zeuge", sagte Oppermann. Vermutlich wird es Anfang kommender Woche eine Sitzung des Gremiums geben.

Snowden könnte laut seinem Anwalt nur in Russland befragt werden. Er werde das Land nicht verlassen, das ihm Asyl gewährt hat, sagte Anwalt Anatoli Kutscherena am Freitag dem Radiosender Moskauer Echo. Er könne aber „im Rahmen internationaler Vereinbarungen in Russland aussagen“, wenn deutsche Stellen dies wünschten.

Snowden spricht über sein geheimes Leben

Dem Reporter John Goetz („Panorama“, „Süddeutsche Zeitung“) und dem Ex-„Spiegel“-Chef Georg Mascolo gewährt Snowden zudem einen Einblick in sein geheimes Leben und die Beweggründe für seine Enthüllungen. Die USA suchen Snowden per Haftbefehl und werfen ihm Landesverrat vor. Er hält dagegen, wenn die Öffentlichkeit die Wahrheit über die Vergehen der US-Dienste erfahre, helfe das auch der Regierung in Washington. „Ich bereue nichts“, sagt er den Reportern.

Und ergänzt: „Die US-Regierung möchte ein Exempel statuieren: Wenn Du die Wahrheit sagst, zerstören wir Dich.“ Der Preis seiner Enthüllungen sei hoch, sagt Snowden - „der Verlust von echten und regelmäßigen Kontakten zu meiner Familie und meinen Freunden“. Immerhin, so berichtet Ströbele, gibt es selbst für den gesuchten Enthüller manchmal so etwas wie Normalität: „Ich habe ihn gefragt, ob er in Moskau auch einfach mal so shoppen gehen kann. Da hat er 'Ja' gesagt.“ (mit dpa/AFP)

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